Wirtschaft

Kritische Verzerrungen an den Anleihemärkten erkennen und nutzen

Andrew Jackson von Federated Hermes bewertet vier Sektoren mit ausgeprägten Preis- und Wertverzerrungen – und blickt auf sich ergebende Potentiale

Andrew Jackson

Credit Spreads haben sich im letzten Monat dramatisch geweitet, sagt Andrew Jackson, Head of Fixed Income bei Federated Hermes. Dadurch ergeben sich Möglichkeiten für jene Anleger, die bereit sind, kurzfristige Schwankungen in Kauf zu nehmen und Investments auf längere Sicht mit Blick auf den zugrunde liegenden Wert zu kaufen. Mit Blick nach vorn schauen wir uns in der folgende Einflussfaktoren an:

1. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus und der niedrigeren Ölpreise auf die Überlebens- und Regenerationsfähigkeit eines Emittenten.

2. Die Wahrscheinlichkeit, dass Regierungen und Zentralbanken diese Emittenten in Konkurs gehen lassen.

Dieser Ansatz koppelt die Erträge jedoch nicht von weiterer Volatilität ab. Daher sind wir der Ansicht, dass das Modell von Aufwärts-Renditeszenarien gegenüber einer geschätzten Regenerationsanalyse auf Worst-Case-Basis eine realistische Grundlage bietet, „erwartete Ergebnisse“ zu überprüfen. Anhand dieses Modells sind wir überzeugt, dass die folgenden Sektoren derzeit eine Reihe potenzieller Investmentmöglichkeiten bieten.

Banken: Zu groß, um zu scheitern?

Der Bankensektor ist angesichts der Sorgen über eine lang anhaltende Rezession, die sich verschlechternde der Qualität der Vermögenswerte und die anhaltenden Belastungen niedrigerer Zinssätze stark unterschätzt. Durch den Ausverkauf scheinen uns die nationalen Champions der Banken einfach zu wichtig zu sein, um bankrott zu gehen – etwas, das offenbar nicht eingepreist wurde.

Britische Banken erwarten in dieser Woche, dass die Regulierungsbehörden Dividenden und Aktienrückkäufe einfrieren. Dies folgt auf die Ankündigung der EZB von letztem Freitag, in der sie ein Einfrieren in der gesamten Eurozone anordnet. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Schritt positiv auf Anleihen auswirkt, indem er den Cashflow verbessert.

Wir rechnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Auswirkungen auf die Kupons der AT1-Anleihen. Für die europäischen Banken haben AT1-Kupons eine viel geringere Auswirkung als der Nutzen einer Dividendenkürzung auf den Cashflow, dessen Differenz wir auf etwa 5,5 Milliarden Euro gegenüber 30 Milliarden Euro schätzen.

Darüber hinaus scheinen die Banken nach der starken Performance zu Jahresbeginn nun der naheliegende Sektor zu sein, um nach nicht gut genug bewerteten Vermögenswerten zu suchen – insbesondere im unteren Teil der Kapitalstruktur. Wenn die Auswirkungen des Virus eingedämmt werden können – und die wirtschaftlichen Auswirkungen eher vorübergehender Natur sind –, dann dürften sich die Banken erholen.

Energie: Sieht günstig aus

Öl hat in den letzten Wochen einen heftigen Schlag erlitten. Unlängst ist es unter die Marke von 20 Dollar pro Barrel gefallen, da die Organisation der Erdölgesellschaften (OPEC) und Russland es versäumt haben, sich auf eine Angebotskürzung zu einigen, was die Bedenken über die geringere Nachfrage durch das Coronavirus noch verstärkte.

Es besteht nun ein erheblicher Druck auf die Finanzströme und Handlungsfähigkeit der Energie-Emittenten. Wenn es in den nächsten Monaten keine Einigung zwischen der OPEC und Russland gibt, wird es die kostenintensivsten Produzenten mit verschuldeten Bilanzen treffen. Folge: steigende Insolvenzzahlen.

Ähnliches gilt, wenn wir keine Bundeshilfe von der US-Regierung in Form von zinsgünstigen Darlehen an die Industrie sehen. Denn dann werden auch die Unternehmen, die bereits im Grenzkostenbereich arbeiten, wie US-Schieferunternehmen, ihre Produktion reduzieren und Kosten senken müssen.

Der Zugang zu den Fremdkapitalmärkten wird für Energieunternehmen immer schwieriger werden – möglicherweise sogar noch schwieriger als in den Jahren 2015/2016, da die Eigenkapitalpolster geringer sind. Dies wird insbesondere für Emittenten mit geringerer Qualität der Fall sein.

Während sich die Fundamentaldaten des Energiesektors verschlechtert haben, sieht er jetzt extrem günstig aus. Wir sind auf der Suche nach Unternehmen mit flexibler Geschäftstätigkeit, niedrigeren Break-even-Kosten, hochwertigen Vermögenswerten und guter Liquidität.

Metalle und Bergbau: Überleben des Stärksten

Eine verringerte Nachfrage nach Metallen und mögliche Unterbrechung der Versorgung könnte zu steigenden Zahlungsausfälle führen. Es gibt jetzt eine erhebliche Streuung zwischen wenig verschuldeten Minengesellschaften mit diversifizierten Geschäftsmodellen im Investment-Grade-Bereich und verschuldeten Emittenten im High-Yield-Segment.

Einige langfristig diversifizierte Minengesellschaften haben Preisabschläge von über 20 Punkten erfahren und könnten über einen Zeitraum von zwölf bis 18 Monaten attraktiv sein.

Sinkende Preise haben im gesamten Sektor Investmentmöglichkeiten geschaffen. Dennoch bleiben wir vorsichtig, da die Preise weiter fallen könnten, wenn noch mehr Minen schließen oder die Rohstoffpreise weiter fallen.

Strukturierte Kredite im Blick

In Zeiten von Marktturbulenzen sind strukturierte Kredite in der Regel eine nachrangige Anlageklasse, bei der sich die Preise tendenziell erst dann bewegen, wenn andere Anlageklassen bereits einen Ausverkauf hinter sich haben. Dies galt während der aktuellen Krise vor allem für Asset-Backed Securities (ABS). Bei Collateralised Loan Obligations (CLO) war dies nicht der Fall, da ihre Bewegungen enger mit denen der Unternehmensanleihen synchronisiert sind.

Dies liegt erstens daran, dass CLOs oft fremdfinanzierte Loans auf Unternehmen sind. Zweitens scheinen die Investoren für CLOs eher mit dem hochverzinslichen Unternehmenssektor auf einer Linie zu liegen, da die zugrunde liegenden Emittenten häufig über Hochzinsanleihen und fremdfinanzierte Loans verfügen.

Herausforderung: Liquidität auf CLO-Markt

Die Liquidität auf dem CLO-Markt ist eine Herausforderung, da der aktive Verkauf einige große Kursbewegungen ausgelöst hat. Während das Angebot nach wie vor die Nachfrage übersteigt, sehen wir weiterhin Abwärtsverschiebungen in der Preisgestaltung, wobei eine mangelnde Erfahrung der Käufer zu dramatischen Preisbewegungen führt.

Die schwierigen Handelsbedingungen wurden zudem durch zwei Punkte verschärft: die zögerliche Haltung der Händler, ihre Bilanzen zu verbessern, und die mangelnde Transparenz bei den Clearingpreisen auf verschiedenen Kapitalstrukturniveaus.

In einem Umfeld, in dem Liquidität wichtig ist, können einige Teile des Marktes aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Fundamentaldaten überteuert verkauft werden. Wir beobachten diesen Bereich genau – insbesondere Tranchen unterhalb des Investment-Grade-Ratings –, um zu beurteilen, ob strukturierte Kredite eine interessante Anlagemöglichkeit darstellen könnten.

(Federated Hermes)

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