Diese solide Wertentwicklung wird flankiert von starken Mittelzuflüssen in diesem Jahr, die in den vergangenen Wochen ein rekordverdächtiges Niveau erreicht haben. Nach einem so starken Lauf drängt sich bei Anlegern unwillkürlich die Frage auf: Hält er an? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir die Treiber dieser Rally näher betrachten.
Was vor allem ins Auge sticht, sind erste Anzeichen einer verbesserten Konjunkturlage in der Region. Auch wenn das Exportvolumen aus Schwellenländern weiter rückläufig ist, scheint der Wert der Ausfuhren offenbar nicht weiter zu sinken. Das hat zum einen mit der Erholung der Rohstoffpreise in diesem Jahr zu tun, denn viele der großen Emerging-Markets-Exportländer sind erheblich von Rohstoffen abhängig. Vor allem der Ölpreis, der vom Rekordtief im Januar um 50 Prozent gestiegen ist, kommt diversen aufstrebenden Ländern zugute – auch wenn die Rohstoffpreise zuletzt wieder etwas unter Druck geraten sind. Zur Jahreswende war auch die Konjunkturentwicklung in China ein Grund zur Sorge. Aber die im Jahresverlauf veröffentlichten Daten haben sich stabilisiert, was in erster Linie der erhöhten Kreditvergabe zu verdanken ist.
Ein weiterer Grund für die zuletzt überdurchschnittliche Entwicklung von Schwellenländer-Vermögenswerten sind externe Ereignisse. Obwohl die US-Notenbank ihre allseits gefürchtete erste Zinserhöhung im letzten Dezember durchzog, haben sich Vermögenswerte aus den Emerging Markets seitdem erstaunlich gut behauptet. Gründe dafür sind die deutlich zurückgeschraubten Erwartungen hinsichtlich Zeitpunkt und Tempo der nächsten Zinsstraffungen durch die Fed, mit denen die Renditen von US-Staatsanleihen gefallen statt gestiegen sind.
Unterdessen setzen die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan ihre Anleihekäufe fort, die ihre jeweilige Wirtschaft ankurbeln sollen. Mit ihrer lockeren Geldpolitik haben die Währungshüter einen erheblichen Renditerückgang bei Industrieländeranleihen bewirkt, zumal bei deutschen und Schweizer Staatsanleihen, die als extrem sicher gelten.
Erstaunliche 36 Prozent aller ausstehenden Staatsanleihen der Industrieländer werfen inzwischen nur noch negative Renditen ab, lediglich 6 Prozent rentieren bei über 2 Prozent. Weltweit ist der risikolose Zinssatz auf dem Rückzug und werden Papiere mit attraktiver Rendite zunehmend Mangelware. Dass vor diesem Hintergrund das Interesse der Anleger an Schwellenländeranleihen sprunghaft gestiegen ist, überrascht kaum.
Aufschlussreich war auch die Marktreaktion auf den Ausgang des EU-Referendums in Großbritannien. Erwartet hätte man eigentlich, dass Anleger in Scharen aus Risikoanlagen fliehen – mit negativen Folgen für Schwellenländeranleihen. Aber es kam anders: Denn der weitere Renditerückgang bei als sicher geltenden Anlagen hat die Renditen zusätzlich verknappt – wovon Schwellenländeranleihen profitieren.
Mit gewisser Sorge beobachte ich, dass Anleger auf der Suche nach Rendite immer höhere Risiken eingehen müssen. Solche Trends sind anfällig für eine abrupte Kehrtwende mit schmerzlichen Folgen. Als Auslöser einer solchen Trendwende kämen aus meiner Sicht mehrere Dinge infrage: Die größte Gefahr könnte von einer Wachstums- und Inflationsbeschleunigung in den USA ausgehen. Sie würde die Marktteilnehmer zwingen, ihre Zinserwartungen nach oben zu korrigieren. Eine weltweite Straffung der Liquiditätsbedingungen und ein stärkerer Dollar wären die Folgen, die sich tendenziell ungünstig auf Schwellenländeranleihen und Risikoanlagen im Allgemeinen auswirken.
Bis auf Weiteres aber sind Zinserhöhungen in Amerika vom Tisch, wie die Fed bei ihrer Sitzung im Juli bestätigte. Damit dürfte die Jagd nach Rendite auf kurze Sicht der wichtigste Treiber bleiben. Das wiederum würde dafür sprechen, dass Schwellenländeranleihen mit ihren deutlich höheren Renditen verglichen mit ihren Pendants aus den Industrieländern auch weiterhin heiß begehrt bleiben.“