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Juristische Fragen
Betrachtet man die juristische Seite der Angelegenheit, so gibt das Infetkionsschutzgesetz Auskunft darüber, was man als Behörde darf: Nach § 28 Abs. 1 S. 1 trifft die zuständige Behörde bei Krankheits- verdächtigen die notwendigen Schutzmaßnahmen.
Hierzu gehört nach § 30 auch die Absonderung, wobei die Behörde ein Ermessen hat.
Nun entscheiden in den Gesundheitsämtern aber Ärztinnen und Ärzte darüber, was „notwendig“ ist und was nicht und wie das Ermessen ausgeübt wird. Da wird gebetsmühleartig auf das RKI verwiesen, nach dem man sich richte. Der kundige Bürger fragt sich in solchen Momenten, wer hier die Gesetze macht und auslegt – doch wohl kaum das RKI oder Herr Drosten, die gefühlt zu immer neuen Erkenntnissen über das Coronavirus gelangen, die kein Mensch wirklich versteht oder aus denen eine zumindest grobe Linie ersichtlich wäre. Nach meinem Verständnis des Demokratieprinzips dürfte man auch Herrn Spahn nicht dieses Feld überlassen, der inzwischen findet, dass 10 Tage Quarantäne genug sind.
Aber darf man solche schwerwiegenden Entscheidungen, wie Menschen in ihre vier Wände einzusperren, tatsächlich nur Ärztinnen und Ärzten überlassen, die bereits qua ihrer Ausbildung kaum etwas von dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei Grundrechtseingriffen gehört haben dürften? Ich meine nicht.
So wurde ich auch nach mehrfachem E-Mailverkehr aus der Quarantäne heraus auf die Rechtsabteilung des Gesundheitsamtes verwiesen, die wer weiß wann entscheidet.
Derweil spielt sich mein Sohn bei FIFA 20 weiter in den Karrieremodus. So hatte er sich seine Zeit nach dem Abitur ohne Abiball und Zeugnisverleihung ohne Angehörige sicher nicht vorgestellt.
Mindestens 1% der Testergebnisse falsch positiv
Anhaltspunkte, die zumindest helfen könnten schwerwiegende Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen, könnten Testergebnisse sein, die das SARS-CoV-2 Virus eindeutig identifizieren. Einem Laien stellt sich dabei unwillkürlich die Frage, ob es solche Tests überhaupt gibt.
Beliest man sich ein wenig, so darf man das durchaus in Zweifel ziehen. Angeblich sind mindestens 1% der Testergebnisse falsch positiv. Das Ärzteblatt schreibt: Die Sensitivität ist der Prozentsatz, mit dem eine erkrankte Person als positiv getestet wird. Ein Test mit einer Sensitivität von 98 % identifiziert 98 von 100 Infektionen und 2 nicht. Die Kehrseite eines hoch sensitiven Tests: Er kann viele falsch-positive Befunde liefern, wenn er nicht spezifisch genug ist. Die Spezifität ist der Prozentsatz, zu dem nicht infizierte Personen als gesund erkannt werden. Ein Test mit einer Spezifität von 95 % liefert bei 5 von 100 Gesunden ein falsch-positives Ergebnis.
Kritik aus den USA
Das dürfte auch der Grund sein, warum inzwischen Kritik aus den USA kommt. Die „New York Times“ zitiert einen Epidemologen, der die aktuelle Test-Strategie vieler Länder, darunter auch Deutschland, in Frage stellt. Michael Mina von der Universität Havard kritisiert, dass es im Prinzip bei den PCR-Tests nur „ja“ oder „nein“ als mögliche Ergebnisse gebe. Dabei, so Mina, passiere es, dass nicht-infektiöse Personen positiv getestet werden würden, anschließend in Quarantäne müssten, obwohl sie niemanden anstecken.
In der „New York Times“ fordert Mina nun eine andere Teststrategie. Getestet werden müsse nun die Infektiösität der Patienten. Dabei geht es um den sogenannten Ct-Wert. Je höher der Wert, desto geringer die Ansteckungsgefahr beim Getesteten.
Corona-Tests, die bei einem Ct-Wert von über 35 anschlagen, seien zu empfindlich, sagt Juliett Morrison, eine US-Virologin, in der „New York Times“. Laut dem Bericht sei es jedoch unter anderem auch in Deutschland aber normal, wenn Tests bei Ct-Werten bis 40 positiv anschlagen. Das RKI empfiehlt einen Grenzwert von 30 bis 35, ebenso wie Michael Mina.
Als Beispiel rechnet die „New York Times“ vor: 794 positive Tests habe ein New Yorker Labor im Juli durchgeführt. Hätte man die Schwelle für den Ct-Wert dort auf 35 gesenkt, wäre es nur rund die Hälfte gewesen. Bei einem Grenzwert von 30 wären sogar etwa 70 Prozent der positiven Testergebnisse weggefallen.
Mich hat man anscheinend nicht auf meine Infektiosität getestet.
Die Pläne der Bundesregierung, die Gesundheitsämter mit mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszustatten, dürften nicht hilfreich sein, um dieses Problem anzugehen, Widersprüche aufzulösen, vernünftig nach Sinn und Unsinn von Quarantänemaßnahmen und Schließungen zu entscheiden. Angesichts dieser Umstände wage ich zu bezweifeln, dass das die richtigen Mittel sind, um der Pandemie einerseits und der Hilflosigkeit andererseits zu begegnen.
Mein Sohn und mein Mann gehen inzwischen in die 4. Quarantänewoche. Vielleicht mag uns das Verwaltungsgericht bald eine Antwort zumindest auf die juristischen Fragen geben.
(von N.Schmidt)