Im Vorfeld der Zinsentscheidung waren sich Analysten und Marktexperten weitgehend einig, dass die EZB bei dieser Sitzung die Leitzinsen um weitere 25 Basispunkte senken wird. Analysten rechneten vor allem aufgrund der anhaltend schwachen wirtschaftlichen Aktivität in der Eurozone und der schneller als erwarteten Entspannung bei der Inflation mit diesem Schritt. Die jüngsten Daten von der „Inflationsfront“ waren dadurch gekennzeichnet, dass in der Eurozone die jährliche Inflation im September auf 1,8 Prozent und damit unter den Zielwert der EZB (2,0 Prozent) abgerutscht ist.
Zur Erinnerung: Bei der Sitzung am 12. September waren die Notenbanker noch davon ausgegangen, dass dieses Szenario erst in der zweiten Jahreshälfte 2025 eintreffen wird. Auch wirtschaftliche Risiken, insbesondere in Ländern wie Deutschland und globale Unsicherheitsfaktoren, verstärkten die Erwartungen, dass die EZB ihren aktuellen Senkungskurs beibehalten wird. Um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und eine zu niedrige Inflation zu vermeiden, gehen viele Marktbeobachter davon aus, dass sich der Zinssenkungszyklus bis ins Jahr 2025 fortsetzen könnte.
Zinsen – eine extrem wichtige Komponente
Das auf die Bau- und Immobilienwirtschaft spezialisierte europäische Forschungsnetzwerk Euroconstruct äußerte sich in seinem jüngsten Branchenbericht (Sommer 2024) optimistisch hinsichtlich eines gesteigerten Wirtschaftswachstums in den 19 analysierten west- und osteuropäischen Staaten. Dessen Analysten haben nämlich ihre Prognose für 2025 von 1,6 auf 1,7 Prozent nach oben revidiert, während die Schätzung für 2026 (+1,6 Prozent) beibehalten wurde. Als Hauptgründe nannten sie die erwarteten Zinssenkungen, Verbesserungen der Kaufkraft und anhaltendes Wachstum auf den Exportmärkten.
Börsennotierte Baufirmen wie die österreichische PORR Group profitieren sowohl auf Mikro- als auch auf Makroebene von sinkenden Zinsen. Mit Blick auf die Unternehmensfinanzen führen niedrigere Zinsen bspw. zu geringeren Finanzierungskosten. Durch Fremdkapital finanzierte Anschaffungen in moderne Technologien oder effizientere Maschinen lassen sich leichter und kostengünstiger realisieren. Dadurch verbessert sich die Liquidität der Bauunternehmen und sie können mehr bzw. größere Projekte gleichzeitig umsetzen.
Dieser Finanzierungsvorteil wirkt sich aber auch positiv auf die Investitionsbereitschaft potenzieller Kunden aus. Für Privatpersonen und Unternehmen, die Immobilien oder Bauprojekte finanzieren möchten, werden nämlich die hierfür benötigten Kredite erschwinglicher. Dies führt erfahrungsgemäß zu einer erhöhten Nachfrage nach Wohn- und Gewerbebauten und kann bei den Baufirmen zu einem steigenden Auftragsbestand führen.
Da öffentliche Auftraggeber in Niedrigzinsphasen Infrastrukturprojekte kostengünstiger finanzieren können und in diesem Sektor ohnehin erheblicher Nachholbedarf besteht, wirken sich Zinssenkungen auch in diesem Marktsegment positiv aus. Die PORR hat im vergangenen Geschäftsjahr ihren Konzernumsatz von 5,7860 Mrd. auf 6,0485 Mrd. Euro (4,5 Prozent) gesteigert, wobei mit 55,0 Prozent mehr als die Hälfte durch das Segment Tiefbau (Bahnbau, Brücken-/Hochstraßenbau, Sonstiger Tiefbau, Straßenbau und Tunnelbau) erwirtschaftet worden ist.
Investoren mögen sinkende Zinsen
Unter Investoren spielt das Zinsumfeld ebenfalls eine wichtige Rolle, da in Phasen sinkender Zinsen festverzinsliche Wertpapiere in der Regel an Attraktivität einbüßen und es dadurch häufig zu Umschichtungen von Anleihen in Aktien kommt. Die oben bereits erwähnten sinkenden Finanzierungskosten wirken sich in der Regel positiv auf die Bilanzen aus und verbessern dadurch die Rentabilität eines Unternehmens. Dies trifft auf börsennotierte Bauwerte in besonders hohem Maße zu. Eine alte Börsenweisheit besagt: „When interest rates rise, construction dies“. Im Umkehrschluss kann man durchaus behaupten, dass sinkende Zinsen auf jeden Fall als positiver Begleitumstand anzusehen sind.
In einer Anfang September veröffentlichten Studie über den Bausektor zeichnet auch ING-Analyst Maurice van Sante ein überwiegend positives Bild. Es gäbe nämlich klare Anzeichen dafür, dass das Wachstum 2025 wieder anziehen wird. In vielen Ländern würden z.B. die Immobilienpreise steigen und die Erteilung von Baugenehmigungen zulegen. Außerdem scheint es, als hätten die Produzenten von Baumaterialien (z.B. Beton, Zement und Ziegel), die am Anfang der Wertschöpfungskette stehen, den Tiefpunkt ihrer Produktionsvolumina bereits hinter sich gelassen. Für den Renovierungssektor (einschließlich Nachhaltigkeitsmaßnahmen) wird zudem ein strukturelles Wachstum der Nachfrage erwartet. Es wird davon ausgegangen, dass die Investitionen in die Infrastruktur weiter zunehmen werden. Die Haupttreiber dieses Wachstums werden dementsprechend die EU-Wiederaufbaufonds, Investitionen in die digitale Infrastruktur, Wasserwerke, Erweiterungen des Stromnetzes und die Energiewende sein.
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