Wirtschaft

Wird 2023 das Jahr für Schwellenländeranleihen?

Von Alejandro Arevalo und Reza Karim, Investment Manager Fixed Income EMD bei Jupiter Asset Management

Reza Karim © Jupiter

Festverzinsliche Anlagen haben ein besonders herausforderndes Jahr hinter sich. Das gilt auch für Emerging Market Debt (EMD). Die steigenden Zinsen in den USA, der Krieg in der Ukraine und das unsichere Makroumfeld in China haben für ein ungewöhnlich turbulentes Marktumfeld gesorgt. Die Unwägbarkeiten sind weiterhin groß. Trotzdem sehen wir viele Gründe, die für einen positiven Ausblick für Schwellenländeranleihen im Jahr 2023 sprechen.

Hohe Renditen ohne exzessives Risiko

Im Zuge des breit angelegten Ausverkaufs von Schwellenländeranleihen sind die Renditen auf breiter Basis hochgeschnellt. Bei den inzwischen durchweg hohen Renditen der Anlageklasse können Anleger selbst in defensiveren Bereichen des EM-Universums attraktive Einstiegsmöglichkeiten auftun. Solide Staaten und Unternehmen mit einem begrenzten Ausfallrisiko bieten herausragende Chancen, über den kompletten Zyklus hinweg attraktive Renditen zu erzielen. Die Fundamentaldaten sind im Allgemeinen gut und haben sich in den letzten Jahren sogar verbessert. Dass die Spreads dies nicht widerspiegeln, ist für Schwellenländeranleihen nicht ungewöhnlich.

Was also sind die potenziellen Renditetreiber der Anlageklasse? Wir sehen zwei mögliche positive Impulse: eine Kehrtwende der US-Notenbank (Fed) und einen politischen Kurswechsel in China. Am Markt wird jetzt nicht mehr die Frage gestellt, ob diese Trendwenden kommen werden, sondern wann sie kommen. Wir erwarten, dass die Fed die Zinsen noch länger als ursprünglich erwartet straffen wird, wenn auch nicht so aggressiv wie zuletzt. Allerdings glauben wir auch, dass die Märkte dies inzwischen weitgehend eingepreist haben. Daher dürfte die von der „Zinskomponente“ der EMD-Anlageklasse ausgehende Volatilität künftig nachlassen. Unterdessen ist China auf eine expansivere Fiskal- und Geldpolitik umgeschwenkt. Eine nennenswerte Wiedereröffnung der Wirtschaft vor März 2023, wenn die neue Regierung die Arbeit aufnimmt, halten wir jedoch für unwahrscheinlich.

Lateinamerika und Naher Osten bevorzugt

Obwohl die USA und die jüngsten Fed-Maßnahmen sehr stark im Fokus gestanden haben, gibt es auf lokaler Ebene in den Schwellenländern viele positive Entwicklungen, die Anleger im Blick behalten sollten.

Wir sind besonders optimistisch für Lateinamerika. Die Inflation scheint in der Region ihren Höhepunkt erreicht zu haben, und einige Zentralbanken nähern sich bereits dem Ende ihres Zinsstraffungszyklus. Brasilien und Mexiko zum Beispiel hatten deutlich vor den USA, in der ersten Jahreshälfte 2021, mit der Straffung der Zinsen begonnen. Außerdem ist das Wachstum in der Region überraschend positiv und viele Länder haben eine starke Handelsbilanz. Darüber hinaus haben wir nach einigen Jahren der Ungewissheit das Ende des politischen Zyklus erreicht, da die größten Länder vor kurzem ihre Wahlen abgehalten haben. Die Wahlergebnisse haben zwar dazu geführt, dass einige linke oder weniger marktfreundliche Regierungen an die Macht gekommen sind. Der Schaden in Bezug auf eine expansivere Fiskalpolitik ist bislang jedoch begrenzt geblieben.

Abgesehen davon schätzen wir auch den Nahen Osten. Die Region profitiert ganz klar von der Entwicklung der Öl- und Gaspreise in den letzten zwei Jahren, durch die sich die Haushaltslage dieser Staaten im Jahr 2022 erheblich verbessert hat. Wir glauben, dass die positive Wirkung dieser Entwicklungen in der Region auf Jahre hinaus zu spüren sein wird. Die Anleihen von Energieunternehmen haben dies bereits weitgehend eingepreist. Wir sehen aber andere Marktbereiche, die indirekt profitieren könnten und attraktiver bewertet erscheinen, wie zum Beispiel der Immobiliensektor.

Auch in Afrika finden wir einige gute Anlagechancen, vor allem bei Anleihen, die nach dem starken Ausverkauf der dortigen Staatsanleihen bereits auf Distressed-Niveau notieren. Selbst wenn einige dieser Anleihen ausfallen sollten, können wir uns kaum vorstellen, dass es so schlimm kommen wird, wie es das Preisniveau hier signalisiert.

Größtes Potenzial derzeit bei Unternehmensanleihen

Wir glauben, dass es in allen Bereichen des EMD-Universums attraktive Anlagemöglichkeiten gibt, sowohl bei Unternehmensanleihen als auch bei Staatsanleihen in Hart- und Lokalwährung. Das aktuell größte Wertpotenzial sehen wir aber bei Unternehmensanleihen.

Obwohl es manchmal Fehlwahrnehmungen in Bezug auf das Risiko einer Anlage in Unternehmensanleihen aus Schwellenländern gibt, bleibt festzuhalten, dass die Ausfallrate in diesem Universum bei gerade einmal 1,2% liegt, wenn man einmal von besonderen Fällen – Russland, Ukraine und chinesische Immobilienentwickler – absieht.

Darüber hinaus haben Unternehmensanleihen aus Schwellenländern in den letzten 20 Jahren nur drei Verlustjahre gehabt – wobei sie voraussichtlich auch 2022 mit einem negativen Vorzeichen abschließen werden.

EM-Unternehmensanleihen bieten aktuell rekordhohe Fälligkeitsrenditen (YTM). Im Vergleich zu EM-Staatsanleihen haben sie in der Regel aber auch eine viel kürzere Duration. Das bedeutet, dass Anleger diese Rendite in einer relativ kurzen Zeitspanne realisieren können, sofern es nicht zu einem Ausfall kommt. Ein bedeutender Anteil dieser Anleihen läuft aber regelmäßig bis zur Fälligkeit. Darüber hinaus können sich Anleger mit Unternehmensanleihen differenzierter positionieren als mit Staatsanleihen. Beispielsweise können sie Branchen bevorzugen, die von stärkerem Rückenwind profitieren, und Sektoren meiden, die in einer bestimmten Phase des Konjunkturzyklus mit stärkerem Gegenwind zu kämpfen haben.

Die Risiken im Auge behalten

Es besteht nach wie vor große Unsicherheit über die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine, und wir erwarten anhaltende Spannungen zwischen den USA und China. Wir sind allerdings davon überzeugt, dass ein dynamischer und proaktiver Investmentprozess helfen kann, diese Risiken zu adressieren, wenn sie auftreten.

Trotz des allgemeinen Anstiegs der EMD-Renditen gibt es auch einige Bereiche, in denen Vorsicht geboten ist, darunter der chinesische Immobiliensektor. Chinas offizielles Wachstumsziel von 5,5 % scheint außer Reichweite zu sein, und die bisher eingeleiteten Maßnahmen zur Stärkung des Immobiliensektors haben noch wenig Wirkung gezeigt. Dennoch glauben wir, dass sich die Stimmung hier etwas verbessern könnte.

Es gibt auch einige Risiken im Zusammenhang mit der Refinanzierung. In diesem Jahr wurden so wenig Unternehmens- und Staatsanleihen emittiert wie seit zehn Jahren nicht mehr. Positiv zu vermerken ist, dass die lokalen Märkte viel tiefer geworden sind und viele Emittenten nun in der Lage sind, sich auf den lokalen Märkten in ihrer eigenen Währung zu refinanzieren, um erhebliche Diskrepanzen zwischen ihren Vermögenswerten und Verbindlichkeiten zu vermeiden. Für eine diversifizierte Finanzierungsbasis werden Unternehmen und Staaten ab einem gewissen Punkt jedoch Zugang zu internationalen Märkten benötigen.

Bei Anlagen in sich entwickelnden geografischen Regionen besteht generell ein höheres Volatilitätsrisiko aufgrund von politischen und wirtschaftlichen Veränderungen. Die Gebühren und Aufwendungen sind gewöhnlich höher als in westlichen Märkten. Diese Märkte sind auch weniger liquide und ihre Handels- und Abrechnungssysteme sind in der Regel weniger zuverlässig als in entwickelten Märkten, was zu großen Wertschwankungen oder Verlusten für das Investment führen kann. Anleihen mit einem niedrigen Rating und Anleihen, die kein Rating von einer Ratingagentur haben, einschließlich hochverzinslicher und notleidender Anleihen, können höhere Einnahmen bieten, aber in Bezug auf ihre Zinszahlungen und den investierten Kapitalbetrag besteht insbesondere in Phasen sich verändernder Marktbedingungen ein höheres Risiko, dass sie nicht zurückgezahlt werden.

Undifferenzierte Ausverkäufe ausnutzen

Niemand kann mit Sicherheit sagen, wann die Märkte die Talsohle erreicht haben. Beispielsweise würde eine unerwartet schwere Rezession in den USA die Stimmung belasten und vermutlich zu einem starken Ausverkauf von Risikoanlagen führen. Bei einem längerfristigen Anlagehorizont kommen jedoch die Fundamentaldaten stärker zum Tragen. Angesichts des aktuell niedrigen Bewertungsniveaus in Verbindung mit starken Fundamentaldaten und mehreren potenziell positiv wirkenden Faktoren halten wir einige Marktbereiche jedoch aktuell für besonders attraktiv.

In den Schwellenmärkten sind Kurzschlussreaktionen von Anlegern nicht ungewöhnlich. Oft wird hier übereilt und unüberlegt verkauft. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass unser Anlageuniversum 60 Länder mit Investment-Grade- und Hochzinsanleihen umfasst. Diese Länder könnten sich in unterschiedlichen Phasen des Konjunkturzyklus befinden und von den gleichen Ereignissen unterschiedlich betroffen sein. Bei einem differenzierten Ansatz werden derart pauschale Ausverkäufe zu Gelegenheiten, um Zugang zu vielen attraktiven Anlagechancen mit starken Fundamentaldaten zu erhalten.

(Jupiter AM / Manuela Blisse / surpress)

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