Die Inflation kommt. Der Ruf nach einem Ende der ultralockeren Geldpolitik wird immer lauter. Ob und unter welchen Voraussetzungen Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), dieser Forderung nachkommt, muss zumindest andiskutiert werden, betont Daniel Kühn, Chefredakteur des Finanzportals GodmodeTrader. Angesichts der zunehmenden Kritik aus Deutschland und den USA kommt er zu dem Schluss, dass 2017 auch in der Eurozone die geldpolitische Wende eingeläutet werden dürfte.
Normalität unerwünscht
Es galt immer als Ziel der extrem expansiven Geldpolitik der EZB, die Inflationsentwicklung anzufeuern. Kaum ist dies gelungen – die Inflationsrate in der Eurozone liegt inzwischen praktisch punktgenau am selbstgesteckten Ziel von knapp 2 Prozent – wird offensichtlich, dass Mario Draghi und anderen Vertretern von Krisenstaaten im EZB-Rat die Rückkehr der Normalität gar nicht recht ist. Es war jahrelang doch ziemlich gemütlich mit sehr niedrigen Teuerungsraten. So ließ sich eine historisch einmalige Geldflut „rechtfertigen“.
Die nationalen Zentralbanken haben sich im Rahmen von Quantitative Easing (QE) im Auftrag der EZB mit Staatsanleihen vollgesogen und wurden so zu den größten Gläubigern ihrer eigenen Eigentümer, den Nationalstaaten. Genau das sollte eigentlich im Rahmen der EU-Verträge vermieden werden. Der EZB ist die Staatsfinanzierung ausdrücklich verboten, sie darf deswegen keine Staatsanleihen auf dem Primärmarkt erwerben. Das Feigenblatt der „Wahrung der Preisstabilität“ erlaubt es ihr jedoch, auf dem Sekundärmarkt aktiv zu werden.
Druck aus Deutschland und den USA
Angesichts deutlich anziehender Inflationsraten wird diese Argumentation jedoch zunehmend unglaubwürdiger. Draghi klammert sich nun an die sogenannte „Kerninflation“, die schwankungsintensive Bereiche wie Energie ausklammert und nur bei etwa 1 Prozent liegt. Aber wenn es ihm passt, wird die Kerninflation auch wieder unwichtiger und es zählt dann doch wieder die Gesamtinflationsrate.
Besonders hierzulande wird jetzt die Kritik richtig laut. Das ist auch kein Wunder, denn für Deutschland ist das Zinsniveau viel zu niedrig. Die EZB gerät aber auch interkontinental unter Druck. Die Trump-Administration macht sehr deutlich, dass sie den US-Dollar für zu hoch bewertet hält – insbesondere auch in Relation zum Euro. Dies lässt einen Teil der impliziten EZB-Strategie, nämlich einen weichen Euro, gefährlich erscheinen. Es sei denn, Draghi will einen größeren Konflikt mit den USA in Kauf nehmen. (boersego)