Wie ist das duale System aufgestellt und wie ergänzt sich die PKV mit der GKV?
URSULA CLARA DESCHKA: Die private und die gesetzliche Krankenversicherung funktionieren nach unterschiedlichen Regeln. In der PKV gilt das Äquivalenzprinzip. Das bedeutet, dass die Versicherungs- beiträge so kalkuliert werden, dass sie die erwarteten Kosten der versicherten Leistungen abdecken. Versicherte können in der PKV das Leistungsniveau, je nach ihren individuellen Wünschen, selbst mitbestimmen.
In der GKV hingegen findet das Solidarprinzip Anwendung. Hier besteht kein direkter Zusammenhang zwischen Beitragshöhe und Leistungen. Es gilt stattdessen ein festgelegter gesetzlicher Katalog an Pflicht- oder Regelleistungen, die jeder Versicherte erhält.
Wer sich privat versichert, profitiert von meist deutlich besseren, vertraglich garantierten Leistungen.
Und das Leistungsniveau der privaten Krankenversicherung steigt mit dem medizinischen Fortschritt –
ein weiterer guter Grund für die PKV!
Ist das implizit auf Wettbewerb angelegte Nebeneinander der beiden Gesundheitssysteme sinnvoll,
vor allem im Hinblick auf Innovation und medizinischen Fortschritt? Profitieren wir speziell in der Pandemie von einem dual angelegten System?
URSULA CLARA DESCHKA: Die Dualität der beiden Systeme ist gut und richtig. Denn sie ist Grundlage dafür, eine qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen. Das Miteinander von PKV und GKV nutzt damit allen. Es gibt sowohl gute Gründe für die gesetzliche als auch für die private Krankenversicherung. Im internationalen Vergleich steht Deutschland mit seinem Gesundheitssystem sehr gut da. Schauen Sie sich die Rationierung und Kontingentierung in anderen Ländern an. Ein Blick nach Großbritannien zeigt, welche Wartezeiten für Fachärzte und Operationen dort vergleichsweise zugemutet werden: Rund ein Viertel der Patienten in Großbritannien muss sich länger als 18 Monate gedulden, um in einer Klinik be- handelt zu werden. Das deutsche System stellt Gesundheitsversorgung sicher, wenn es wirklich darauf ankommt. Das hat sich noch nie deutlicher gezeigt als in diesen Zeiten.
Viele Bundesbürger bleiben gesetzlich versichert und schließen private Zusatzversicherungen ab, statt direkt in die PKV zu wechseln. Ist das sinnvoll?
URSULA CLARA DESCHKA: Viele Menschen haben gar nicht die Wahl, in die PKV zu wechseln. Denn zahlreiche Maßnahmen des Gesetzgebers haben den Zugang zur privaten Krankenversicherung für viele Zielgruppen erschwert oder unattraktiver gemacht. Insbesondere für Arbeitnehmer wurden die Hürden für die Wechselmöglichkeit in den letzten Jahren durch eine stetige Anpassung der Einkommensgrenzen erhöht. Wer in der GKV pflichtversichert ist, kann aber seinen Versicherungsschutz durch private Zusatz- versicherungen deutlich verbessern. Und es gibt natürlich diejenigen, die zwischen GKV und PKV frei entscheiden können, was in erster Linie von der individuellen Lebenssituation abhängt.
Sicher ist: Versicherte können in der PKV das Leistungsniveau selbst bestimmen – egal, ob sie sich für eine Krankenkostenvollversicherung oder eine Zusatzversicherung entscheiden. Der Umfang des Leistungs- versprechens ist lebenslang garantiert, kann einseitig nicht abgesenkt oder reduziert werden und ist häufig besser. Die Versicherten sparen Rücklagen an, um die im Alter steigenden Ausgaben zu decken. In der GKV zählt man darauf, dass unsere Kinder und Kindeskinder durch deren Beiträge für die steigenden Ausgaben aufkommen. Die Politik entscheidet, welche Leistungen zukünftig durch die gesetzliche Krankenver- sicherung bezahlt werden, ohne dass man selbst auf diese Kürzungen reagieren kann. Dieser sogenannte Generationenvertrag ist aus Solidaritätsaspekten eine gute Idee. Der demografische Wandel stellt die gesetzlichen Krankenversicherer jedoch vor große Herausforderungen. Dass die PKV an Attraktivität eher zulegt, zeigen die Versichertenzahlen der letzten beiden Jahre: Auch 2019 sind erneut mehr Menschen von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung gewechselt als umgekehrt.
Lässt sich über die Kooperationsmodelle zwischen GKV und PKV ein ausreichender Schutz darstellen?
URSULA CLARA DESCHKA: Wir arbeiten mit vielen Krankenkassen zusammen, die ihren Versicherten unsere Ergänzungsversicherungen anbieten. Dadurch wird die Absicherung natürlich aufgewertet und verbessert. Allerdings bleibt die Frage, ob eine private Krankenkostenvollversicherung für den Einzelnen nicht die bessere Wahl ist.
Abschließend die Frage, welche private Zusatzversicherung Ihrer Meinung nach für GKV-Versicherte absolut anzuraten ist?
URSULA CLARA DESCHKA: Das hängt selbstverständlich vom individuellen Bedarf und der konkreten Situation der Kunden ab. So sind etwa die Leistungen für Brillen oder Heilpraktiker nicht für jeden Menschen gleich wichtig. Auch bei der Versorgung im Krankenhaus gehen die Meinungen auseinander: Nicht jeder will sich unbedingt ein Einbettzimmer oder eine Chefarztbehandlung leisten. Generell lässt sich aber sagen, dass Zahnzusatzversicherungen in den letzten Jahren immer mehr Zuspruch erfahren. Für viele Menschen ist auch eine zusätzliche Absicherung des Einkommens im Krankheitsfall durch eine Krankentagegeldversicherung sinnvoll. Und drittens – egal ob GKV oder PKV: Als Zusatzpolice spielt gegenwärtig die private Pflegezusatzabsicherung eine zentrale Rolle. Die gesetzliche Pflegepflicht- versicherung ist keine Vollkaskoversicherung, sondern sie übernimmt nur einen Teil der Pflegekosten. Private Vorsorge ist daher wichtig. Private Pflegezusatzversicherungen sorgen hier für eine spürbare finanzielle Entlastung – für die Betroffenen und die Angehörigen.
Vielen Dank für das Gespräch.