Für die Börse ist Corona bereits Geschichte. Die Immobilienwirtschaft sieht sich als Profiteur jetzt festgeschriebener Nullzinsen auf der Investitionsseite. Auf der Mieterseite beruhigt eine „Alles nicht so schlimm“-Statistik. Die volks- wirtschaftliche Produktion fährt auch wieder auf Touren. Konjunkturelle Wachstums-Jubelprognosen insbesondere auch der vorher abgestürzten Problembranchen machen in Verbindung mit der Impf-Euphorie gute Stimmung. Die trägt ins Jahr.
Wir könnten uns irren. Vergessen Sie einfach die Kaffeesatzleserei aus 2020er-Zahlen. Das Katastrophen-Jahr 2020 ist weder in positiver noch in negativer Hinsicht aussagefähig. Aus den Einbrüchen des Jahres mit schwarzem Corona-Schwan mit internationalen Reiseeinschränkungen, Unsicherheit, Homeoffice und generellen Rotstiftüberlegungen negativ auf die Zukunft zu schließen, ist wenig sinnvoll. Ebenso unsinnig ist es, aus einem Zahlenwerk aus (noch) unveränderter Arbeitslosigkeit, Rückkehrwunsch ins Office aufgrund unzureichender Wohnverhältnisse, pauschalen Megatrend-Aussagen, Überhängen alter Verhandlungen und den „sowieso“ laufenden Basisaktivitäten einer insgesamt funktionierenden Volkswirtschaft in eine unverändert positive Zukunft zu schauen.
Aus Kapitalanlagesicht ist bei Statistik und Experten-Statements immer zu berücksichtigen, dass in Ab- schwungphasen der Tiefpunkt gerade erreicht ist beziehungsweise kurz bevorsteht und es in Aufschwung- phasen immer so weiter geht wie bisher. Gleichzeitig werden regelmäßig Investmentmärkte und Nutzer- beziehungsweise Mietmärkte verwechselt. Immobilien-Investmentmärkte funktionieren bei fehlenden Alternativen und Nullzins immer. Lediglich der Mieter muss die Miete verdienen. Wenn das schwierig wird und Leerstände zunehmen, werden Investmentimmobilien paradoxerweise noch knapper und eventuell noch teurer. Das hat aber keine Wertschöpfung. Immobilien sind kein Selbstzweck, sondern eine Dienst- leistung für die Wertschöpfung durch den Nutzer. Die Rückwirkung schlechter Konjunktur und schwacher Vermietungsmärkte auf die Investmentmärkte findet erst statt, wenn der Investor das Vertrauen in den zu Grunde liegenden Markt verliert.
Wie schnell auch ein Investment-Markt verschwindet, wenn die Investoren das Vertrauen in die zu Grunde liegende Entwicklung des realen Nutzermarktes verlieren, zeigen die Entwicklungen bei Hotelinvestments. Um fast zwei Drittel ist der Hotelinvestmentmarkt 2020 abgebrochen.
Von dem verbleibenden Drittel lag die Hälfte noch im Q1 vor Corona. Das Q4 2020 erreichte gerade einmal mit elf Prozent gut ein Zehntel des Vorjahres-Q4. Das spiegelt genau den Abbruch. Das ist sicher kein Abgesang. Es ist aber klar, dass es Verlierer und einen längeren Rückkehrprozess geben wird.
Auf der anderen Seite wird Logistik gehypt. Natürlich profitiert Logistik vom gesellschaftlichen Trend, aber Konsumenten-Zukunftslogistik ist nicht gleich Industrie-Vergangenheitslogistik, die alte Prozesse spiegelt. Klar ist lediglich, dass der Gesamtbedarf zunehmen wird. Und auch ob die aktuelle Zustell-Logistik der Umwelt-Weisheit letzter Schluss ist, wird mit jedem Blick auf zugestellte Cent-Artikel in hochwertiger Amazon-Pappe ersichtlich.
Wohnen profitiert als Safe Haven von der Rückkehr der institutionellen Investoren und der privaten Anleger. Der Neubaumarkt wird leergefegt. Ob alle Mietkalkulationen aufgehen werden, steht in den Sternen. Aber selbst wenn der hochpreisige Neubaumarkt in wenigen Jahren auskömmlich sein wird, bleibt das verborgen. Das geht in institutionelle Portfolios. Natürlich dürften in einigen Jahren Anfänger feststellen, dass sich vieles nicht rechnet. Aber auf absehbare Zeit bleibt Wohnen die sicherste Bank.
Bei Handel und Büro sieht die Welt aber anders aus. Beim Einzelhandel dürfte die Erwartung einer Markt- transformation durch E-Commerce einheitliche Marktmeinung sein. Aber bei Büros ist Corona noch gar nicht angekommen. Mit einem aktuellen Einbruch um ein Drittel bei der Vermietung bereits in Fort- setzung eines negativen Vier-Jahrestrends in den Top 7 sind die Nutzeraktivitäten wirklich mies.
Bei Büroinvestments brachen die Investitionen gleichfalls um ein Drittel von 37 Milliarden Euro auf 24,5 Milliarden Euro (JLL-Zahlen) ein, jedoch schrieben da die Vorjahre Rekorde, die auch nicht hochzu- rechnen sind.
Aber vergessen wir einfach die Zahlen. In den kommenden beiden Jahren werden die Drehbücher neu geschrieben. Immobilien laufen nach. Wir wissen im Moment noch nicht einmal hinter wem. Konjunktur, Rotstift-Dominanz, Hygiene- und Abstandsregeln, Homeoffice, Digitalisierung, Brexit, Kommunikation, Attentismus aus Unsicherheit, Finanzierungszurückhaltung, Zinsentwicklung, Regulierung und vieles mehr könnten additiv, multiplikativ oder ausgleichend Einfluss nehmen. Das Einzige, was klar ist, ist dass wir die Zahlen des letzten Jahres nicht interpretieren können. Für echten Optimismus ist das Risiko einer Gesamtgemengelage im Sinne eines „perfect storm“ einfach zu groß. Katastrophenszenarien sind in einer funktionierenden Volkswirtschaft mit einem hohen Basisbedarf und konjunktureller Bandbreite von fünf Prozent aber gleichfalls Unsinn. Das schließt eine „Klatsche“ jedoch nicht aus. Aber seien wir ehrlich,
nach den Hype-Jahren ist das nur gesund.
(WERNER ROHMERT)