Während der Corona-Krise ist die Emissionstätigkeit bei Green Bonds nahezu zum Erliegen gekommen. Das ändert aber nichts an deren Attraktivität, wie Matteo Merlin, Manager des Eurizon Fund – Absolute Green Bonds, betont. Neue Emissionen bestätigen dies. Nicht zuletzt, um die Folgen von COVID-19 zu beseitigen, werde die Relevanz grüner Anleihen weiter zunehmen.
Matteo, wie hat sich die Corona-Krise auf Ihr Portfolio ausgewirkt?
Matteo Merlin: Eingedenk der Tatsache, dass der Green-Bond-Markt von verschiedenen Akteuren bestimmt wird – Unternehmen, Regierungen, Agenturen –, ist er von der Corona-Pandemie ebenso getroffen worden, wie die Anleihenmärkte insgesamt. Während des Shutdowns hat sich das Angebot an Neuemissionen stark verringert, weil die Unsicherheit unter den Emittenten diese veranlasst hat, ihre Projekte zu verschieben.
Der Blick in die Statistik zeigt, dass das Emissionsvolumen im ersten Quartal dieses Jahres etwas geringer war als im ersten Quartal 2019, obwohl in der zweiten Märzhälfte praktisch keine Papiere mehr an den Markt kamen. Das hat sich im zweiten Quartal zunächst noch fortgesetzt, weshalb sich das Emissionsvolumen gegenüber dem zweiten Quartal 2019 in etwa halbiert hat.
Allerdings haben wir im zweiten Quartal mit der allmählichen Lockerung der Einschränkungen auch viele neue Emittenten am Markt gesehen, was zuversichtlich stimmt. So wurde beispielsweise in Deutschland der erste Green Bond der chemischen Industrie begeben – immerhin mit einem Volumen von einer Milliarde Euro.
Können Green Bonds helfen, die Folgen von Corona abzumildern? Oder werden sie aufgrund etwa der neuen Euro-Bonds möglicherweise an Bedeutung verlieren?
Matteo Merlin: Nein, wir glauben nicht, dass grüne Anleihen an Bedeutung verlieren werden. Wir glauben, dass sie der wichtigste Teil des Markts für nachhaltige Anleihen sind und bleiben werden.
In diesem Segment gibt es so viel zu tun und zu finanzieren – wie Klimaanpassung und Klimaschutz, Vermeidung von Umweltverschmutzung, Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen und gesundes Ökosystem – sodass die Bedeutung von grünen Anleihen noch weiter zunehmen wird.
Die Veröffentlichung der Details des von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Wiederaufbauprogramms „Next Generation EU“ unterstützt das Interesse an der Anlageklasse „Grün“. Der Transfer der entsprechenden Gelder sollte tatsächlich durch staatliche Pläne erfolgen, die mit dem europäischen Green Deal übereinstimmen.
Mehrere Sektoren würden davon profitieren, zum Beispiel der Bausektor – mit Erneuerungen, die auf eine Verringerung der Umweltauswirkungen abzielen –, die Förderung erneuerbarer Energien und der Verkehrssektor.
Muss bei Green Bonds nun verstärkt mit Kreditausfällen gerechnet werden?
Matteo Merlin: Die Kreditausfälle werden sich im selben Takt entwickeln wie am Anleihenmarkt generell. Es sind ja dieselben Schuldner, die einerseits grüne und andererseits normale Anleihen begeben. Daher unterliegen Green Bonds auch denselben Bonitätsrisiken.
Für uns als Fondsmanager bedeutet das wiederum, dass wir sehr intensive Bonitätsprüfungen durchführen, um Kreditausfälle möglichst zu vermeiden.
Welche Auswirkungen haben die Markteingriffe der Notenbanken auf Green Bonds?
Matteo Merlin: Wir versuchen, die Auswirkungen der Konjunkturprogramme auf unser Portfolio auszuloten. Wir schauen uns zum Beispiel sehr genau an, was die EZB tut, und wir können derzeit feststellen, dass sie grüne Anleihen genauso behandelt wie die anderen Anleihen.
Aus unserer Sicht sind die Auswirkungen im Moment sicherlich nicht negativ. Es gibt keine Nachteile für grüne Anleihen im Vergleich zu Unternehmensanleihen.
Was steckt denn hinsichtlich Neuemissionen zurzeit in der Pipeline?
Matteo Merlin: Da findet sich das ganze Spektrum der Wirtschaft wieder – Finanzwerte, Versorger, Industrie, Bau, Chemie, Stahl. Was aus unserer Sicht aber besonders wichtig ist, sind geplante Neuemissionen aus den Bereichen Energieerzeugung, Wasseraufbereitung und Abfallbeseitigung. Das sind Emissionen, die wir uns sehr genau anschauen.
Bei der Vielzahl an unterschiedlichen Anleihen und an Projekten, die diese finanzieren – gewichten Sie Ihre Investments alle gleich stark, oder differenzieren Sie?
Matteo Merlin: Wir differenzieren bei unseren Investments sehr genau und schauen uns jeden Bond im Detail an. Dabei prüfen wir auch, was mit dem Geld der Anleger finanziert werden soll, und entscheiden auf dieser Basis, ob wir die Anleihe zeichnen und in welcher Höhe. Das ist auch hinsichtlich des potenziellen Greenwashings eminent wichtig.
Denn es gibt immer wieder Emittenten, die versuchen, die Green-Bond-Welle zu nutzen, um sich auf diesem Weg Finanzmittel zu beschaffen, die gar nicht für grüne Projekte verwendet werden. Und diese Greenwasher können dem Green-Bond-Segment großen Schaden zufügen, wenn sie nicht gestoppt werden.
(Eurizon)