WIE FUNKTIONIERT VALUE INVESTING?
Im Detail zeichnet sich der wertorientierte Investmentansatz dadurch aus, dass der Portfoliomanager versucht, in Aktien zu investieren, die aus seiner Sicht günstig bewertet sind. Zur Bewertung der Unter- nehmen werden beim klassischen Value-Ansatz Kennzahlen wie zum Beispiel das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das Preis-Buchwert-Verhältnis oder die Dividendenrendite verwendet. Welche der unter- schiedlichen Kennzahlen bei der Aktienauswahl wie genutzt werden, ist von Fonds zu Fonds unter- schiedlich und liegt im Entscheidungsbereich des jeweiligen Fondsmanagers. Da billig nicht bedeutet, dass eine Aktie auch preiswert ist, versuchen die Manager, die diesen Anlagestil verwenden, zudem mit der fundamentalen Analyse den realen Wert des Unternehmens zu ermitteln und in einem weiteren Schritt, mittels einer qualitativen Analyse, zu klären, warum sich die jeweiligen Kennzahlen so darstellen, wie sie sind, sowie deren zukünftige Entwicklung abzuschätzen. Ebenso versuchen viele Fondsmanager mithilfe der qualitativen Analyse, die Qualität der Unternehmensführung zu bewerten, um so die Unternehmen herauszufiltern, bei denen die Unternehmenslenker im Sinne der Aktionäre handeln.
Bei der modernen Auslegung des Value-Ansatzes wird neben den klassischen Bilanzkennzahlen auch das erwartete zukünftige Wachstum des Unternehmens mitbewertet. Durch die Einbeziehung des Unter- nehmenswachstums können sich mehr Titel als Value-Werte qualifizieren, was bedeutet, dass sich das Anlageuniversum vergrößert. Allerdings kann die Schätzung des zukünftigen Unternehmenswachstums auch eine zusätzliche Fehlerquelle bei der Beurteilung eines Unternehmens sein.
Zusätzlich zu einer günstigen Bewertung achten viele Value-Investoren auch darauf, dass die von ihnen gewählten Aktien ihnen eine Sicherheitsmarge, die sogenannte „Margin of Safety“, bieten. Dies bedeutet, dass der Marktwert eines Unternehmens an der Börse unterhalb des Bilanzwertes liegen sollte. Wie hoch diese Sicherheitsmarge sein soll, ist jedoch von Investor zu Investor unterschiedlich.
Da sich jede Kennzahl je nach Orientierung beziehungsweise Strategie des Investors unterschiedlich auslegen lässt, gibt es heutzutage eine große Anzahl von Investmentfonds, die sich als Value-Fonds bezeichnen, aber aufgrund ihrer Ausrichtung nur bedingt der ursprünglichen Theorie folgen.
ANLAGEERFOLG IST ABHÄNGIG VON DER MARKTPHASE
Auch wenn dieser Ansatz logisch erscheint, kann mit einem wertorientierten Investmentansatz nicht in jeder Marktphase ein Mehrertrag erzielt werden, denn es gibt durchaus lange Phasen, in denen die Bewertungen der Unternehmen an den Börsen keine oder nur eine geringe Rolle spielen, da die Markt- teilnehmer in einzelnen Phasen zum Beispiel eher auf das Wachstum der Unternehmen achten. Dementsprechend zeigt der Value-Ansatz zum Beispiel bei starken Anstiegen des Gesamtmarktes oftmals eine schlechtere Wertentwicklung als der Gesamtmarkt.
Aufgrund der Art der Aktienauswahl gilt Value Investing als defensive Art der Aktieninvestition. Doch gerade in Phasen mit stark fallenden Kursen zeigt das wertorientierte Investieren häufig Schwächen.
Viele Value-Titel stammen aus reifen Branchen und haben daher eine hohe Marktkapitalisierung mit einer entsprechend hohen Liquidität an den Börsen. Dies führt dazu, dass diese Aktien in Abschwungphasen häufig stärker fallen, da Anleger die hohe Liquidität dieser Titel nutzen, um ihre Aktienquote schnell zu senken. Zudem kann auch die Sicherheitsmarge in solchen Phasen nicht vor Kursabschlägen schützen, da diese zwar in der Bilanz zu finden sind, sich aber nicht im Verhalten der Titel an den Börsen widerspiegelt.
Wie viele Studien von Universitäten und Marktbeobachtern zeigen, ist der Value-Ansatz, trotz der Schwächen in einigen Marktphasen, aufgrund der eingesetzten fundamentalen Bewertungskriterien und der umfassenden Analyse der Aktien, für den langfristig orientierten Investor ein Erfolg versprechender Investmentansatz.
VALUE INVESTING MIT ETFS
Da die Bewertungen der Unternehmen aus den Bilanzen herausgelesen beziehungsweise von den Bilanzkennzahlen abgeleitet werden, läßt sich dieser Schritt der Titelauswahl formalisieren und auto- matisieren. Dies haben viele Indexanbieter genutzt, um entsprechende Value Indizes zu berechnen, die von den ETF-Anbietern im Rahmen von sogenannten „Smart-Beta-ETFs“ genutzt werden. Allerdings gibt es bei den meisten dieser Indizes keine qualitative Analyse, was dazu führen kann, dass sich auch Aktien in den Portfolien befinden, deren Bewertungen zwar technisch den Grundsätzen des Value Investings entsprechen, deren Geschäftsmodell oder Geschäftsaussichten aber einer qualitativen Überprüfung durch einen Fondsmanager nicht standhalten würden.
(DETLEF GLOW)