Investmentfonds

Marktausblick 2016: Mehr Gegenwind – keine Systemkrise

Nach einem schwierigen Start ins Börsenjahr herrscht an den Kapitalmärkten große Verunsicherung. „Die Aussichten haben sich eingetrübt“, sagt Jens Wilhelm, im Vorstand von Union Investment zuständig für Portfoliomanagement und Immobilien, mit Blick auf den Jahresstart.

Jens Wilhelm - Vorstand, Union Investment

Grund zur Panik sieht er hingegen nicht: „Die Fundamentaldaten haben sich verschlechtert und darauf reagiert die Börse. Wir haben es mit reduzierten Wachstumserwartungen, aber keiner Systemkrise zu tun.“

Die Hauptursache für die verschlechterten Kapitalmarktaussichten liegt nach Einschätzung des Anlagestrategen in den USA. Dort zeichnet sich eine spürbare Verlangsamung der Wachstumsdynamik ab. „Der amerikanische Konjunkturzyklus hat das Beste hinter sich“, erläutert Wilhelm die Situation. Zwar wirken der niedrige Ölpreis sowie der solide Beschäftigungszuwachs unterstützend auf den Konsum und damit die Gesamtwirtschaft in den Vereinigten Staaten. Gleichzeitig leidet aber der industrielle Sektor unter dem starken US-Dollar, die Profitabilität ist rückläufig. Im Ergebnis beginnen die Konzerne, sich mit Investitionen zurückzuhalten oder ihre Pläne gar zu kürzen.

Wachstumslokomotive USA verliert an Tempo

Dieses Muster war in der Vergangenheit zumeist kennzeichnend für einen Richtungswechsel im Konjunkturzyklus. Für Wilhelm ist klar: „Der Aufschwung gerät in den kommenden Monaten ins Stocken. Wir rechnen für 2016 noch mit einem BIP-Wachstum von 1,7 Prozent in den Vereinigten Staaten.“ Im Jahr darauf wird der Zuwachs gemäß den Prognosen von Union Investment nur noch bei 0,8 Prozent liegen. Vor diesem Hintergrund wird die US-Notenbank Fed mit weiteren Leitzinserhöhungen sehr behutsam vorgehen, um die Konjunktur nicht weiter zu schädigen. „Maximal ein bis zwei Zinsschritte dürfte Fed-Chefin Janet Yellen noch schaffen, danach ist erst mal Schluss“, formuliert Wilhelm seine Erwartung.

In Summe ist damit ein Rezessionsszenario für die Vereinigten Staaten zwar unwahrscheinlich. Angesichts des nach wie vor enormen weltwirtschaftlichen Gewichts der USA handelt es sich dennoch um eine wesentliche Veränderung für die Kapitalmärkte. „Ohne die Wachstumslokomotive USA fehlt der Weltwirtschaft ein wichtiges Zugpferd“, fasst Jens Wilhelm die Konsequenzen zusammen.

Weltwirtschaft gehen die Unterstützer aus

Hinzu kommen die anhaltenden Wachstumssorgen um China. Neben der konjunkturellen Verlangsamung im wichtigen Absatzmarkt USA lasten dort die angekündigten Strukturreformen auf der Wirtschaft. „Die Führung in Peking befindet sich in einem schwierigen Spagat zwischen langfristig notwendigem Umbau und kurzfristig schmerzhaften Wachstumseinbußen. Klar ist: Reformen sind nicht umsonst zu haben“, analysiert Wilhelm. Die Wirtschaft zeigt demnach bereits deutliche Anzeichen einer Verlangsamung. Er weist aber darauf hin, dass das Reich der Mitte nach wie vor kräftig wachse: „Einen Konjunktureinbruch sehen wir nicht, eher eine Abkühlung.“

Als möglicher Hoffnungsträger für die weltweite Konjunktur bliebe nach Einschätzung Wilhelms daher lediglich der Euroraum. „Die Währungsunion hat in ökonomischer Hinsicht bemerkenswerte Fortschritte gemacht, die sich nun auszahlen.“ Allerdings wirken das sich verschlechternde außenwirtschaftliche Umfeld und die politischen Unwägbarkeiten belastend. Für 2016 sehen die Prognosen von Union Investment ein Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent vor, im Folgejahr noch von 0,9 Prozent. Auch in Deutschland dürfte demnach der BIP-Zuwachs von voraussichtlich 1,6 Prozent im laufenden Jahr auf 0,8 Prozent 2017 zurückgehen. „Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die schmalen Schultern der Eurozone schon die Last der Weltwirtschaft tragen können“, gibt der Vorstand zu bedenken.

Abschwung, aber keine tief greifende Krise

Vor diesem Hintergrund dürfte sich im laufenden Jahr das weltweite Wirtschaftswachstum abschwächen, aber im positiven Bereich verbleiben. „Wir gehen von einem globalen BIP-Plus im Bereich der Drei-Prozent-Marke aus“, erklärt Jens Wilhelm. Voraussetzung dafür ist eine Stabilisierung beim Wechselkurs des US-Dollar sowie beim Ölpreis. „Selbst im eher unwahrscheinlichen Fall eines drastischen Konjunktureinbruchs in China dürfte das weltweite Wachstum oberhalb von zwei Prozent liegen“, prognostiziert er. „Von tief greifenden Krisenszenarien sind wir noch ein gutes Stück entfernt.“

Ölkrise: Das Problem liegt auf der Angebotsseite

Wilhelm warnt vor einer falschen Ursachenanalyse, etwa in Bezug auf den Ölpreis. Hier sieht er die Gründe für den dramatischen Preisrutsch der vergangenen Monate nämlich nicht in der Weltkonjunktur – und damit auf der Nachfrageseite – begründet. Vielmehr verweist er auf die Folgen der Fracking-Technologie und das Kalkül Saudi-Arabiens, Rivalen im Kampf um Marktanteile durch eine Aufrechterhaltung der hohen Fördermenge unter Druck zu setzen. „Alle Ölförderer haben ein Interesse an hohen Preisen, aber keiner will dafür die Kosten tragen“, sagt Wilhelm. Daher erwartet er für die kommenden Monate keine nachhaltige Erholung der Notierungen bei Rohöl. „Diese neue Form der Ölkrise ist ausgelöst durch die Angebotsseite. Man sollte keine Schieflage der Weltwirtschaft hineininterpretieren.“

EZB wird weiter lockern

Verschärfend wirkt der erneut gesunkene Ölpreis jedoch auf die Deflationsgefahren im Euroraum. Die Inflationserwartungen waren hier zuletzt deutlich rückläufig, sodass abermals die Frage nach einer weiteren Runde der quantitativen Lockerung auf die Agenda rückt. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi hatte unlängst kaum verklausuliert entsprechende Maßnahmen angekündigt. „Draghi wird sicherlich etwas tun“, ist Wilhelm überzeugt. „Nach den jüngsten Erfahrungen der japanischen Notenbank mit weiteren Lockerungsmaßnahmen wird Draghi jedoch vorsichtig agieren.“

Die Lockerungspolitik der EZB nähert sich nach Einschätzung Wilhelms mittlerweile dem Punkt, an dem der Schaden den Nutzen zu übersteigen droht. „Bislang war der Kurs unter dem Strich notwendig und richtig“, verteidigt er die vorangegangenen Maßnahmen. „Aber nun treibt die EZB selbst die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen immer mehr in Richtung negatives Terrain. Die Folgen wären unabsehbar, es droht erheblicher Schaden für die Altersvorsorge von Millionen europäischer Bürger sowie für die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems.“

Anleihen: Von der Niedrig- zur Negativrendite?

Aktuell erwartet Union Investment ein Renditeniveau von 0,2 Prozent für deutsche Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit zum Jahresende 2016. „Es könnten uns japanische Verhältnisse auf der Anleiheseite bevorstehen“, warnt Vorstand Jens Wilhelm. Auch bei den US-amerikanischen Pendants rechnet die Fondsgesellschaft mit sinkenden Renditen bis auf 1,5 Prozent. „Der Zinsertrag des ‚sicheren Hafens‘ droht im Bermuda-Dreieck aus lockerer Geldpolitik, schwacher Konjunktur und geringer Inflation verloren zu gehen“, so Wilhelm weiter.

In den risikobehafteten Segmenten des Rentenmarktes rät Wilhelm ebenfalls zur Achtsamkeit: „Die Kurse für Unternehmensanleihen haben bereits kräftig reagiert und einiges an schlechten Nachrichten vorweggenommen. Hier könnten sich in einigen Bereichen langsam wieder Einstiegschancen ergeben.“ Gleichzeitig verweist er aber auf die Risiken dieser Anlageklasse, insbesondere im hochverzinslichen Bereich. „Eine übers Ziel hinausgeschossene Regulierung und eine völlig veränderte Marktstruktur haben das Risiko vorübergehender Liquiditätsengpässe erhöht. Vorausschauendes Investieren ist daher wichtig, um das weiter vorhandene Potenzial in den Spread-Produkten zu heben“, ist der Anlagestratege überzeugt.

Aktien: Instabilität wird zur Normalität

Mit Blick auf die Aktienmärkte hebt Wilhelm die seit Jahresanfang veränderten Rahmenbedingungen besonders hervor. Schwache Konjunkturdaten in Verbindung mit einer einseitigen Positionierung der Investoren haben die Volatilität sprunghaft ansteigen und die Kurse abfallen lassen. „Die Börse hat den Konjunkturabschwung also zumindest teilweise bereits eingepreist, Spielraum für Bewertungsausweitungen besteht kaum noch. Über künftige Anstiege entscheidet damit zunehmend alleine die Gewinnentwicklung der Unternehmen“, fasst Wilhelm zusammen. Er rechnet weiterhin mit starken Schwankungen an den Aktienbörsen und Ausbrüchen in beide Richtungen. „Allerdings kann auch eine bloße Beruhigung der Datenlage in diesem Umfeld bereits deutliche Kursanstiege auslösen“, verweist er auf die Besonderheit der aktuellen Situation.

Gleichzeitig betont der Stratege erneut die langfristigen Vorzüge der Aktie als Investmentklasse: „Drei strukturelle Gründe sprechen weiter für Aktien: langfristige Ertragsstärke, Sachwertcharakter, hohe Liquidität.“ Unabhängig von Timing-Aspekten gehören Aktien seiner Ansicht nach daher immer in jedes gut diversifizierte Depot, auch wenn 2016 ein eher schwieriges Börsenjahr werden dürfte.

Fazit: Umdenken notwendig

Insgesamt sieht Wilhelm die Kapitalmärkte derzeit vor dem Eintritt in eine neue Marktphase. Instabilität und Unsicherheit sind in solchen Übergängen keine Ausnahmen, sondern die Regel. Umso mehr lohnt sich gerade mit Blick auf die kommenden Monate ein taktisch beweglicher Ansatz. „Bei eingeschränkter Sicht sollte man flexibel agieren, selektiv investieren und vor allem die Risiken konsequent kontrollieren“, so Wilhelm.

Mittelfristig bleiben seiner Auffassung nach die bereits zuvor vorhandenen Herausforderungen für Investoren bestehen. Angesichts der strukturellen Entwicklung vom Niedrigzins- zum Niedrigrenditeumfeld ist ein Umdenken in der Kapitalanlage notwendiger denn je. „Anleger kommen damit nicht mehr umhin, sich mit Renditequellen jenseits der traditionellen Lösungen auseinanderzusetzen“, ist Wilhelm überzeugt. Darüber hinaus gilt es, künftig die Ertragsbasis unabhängiger von der jeweiligen Marktentwicklung zu gestalten. Für beide Trends empfiehlt der Vorstand moderne Multi-Asset-Lösungen, da hier beides sinnvoll miteinander kombiniert werden kann.

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