„Diese gegenläufigen Strömungen und die wiederholten Kreditmarktinterventionen der Zentralbanken haben zu einer anhaltenden Volatilität auf den Renten- und Aktienmärkten geführt“, sagt Greenwood. „Sehr deutlich hat sich dies im wiederholten Wechsel zwischen ‚Risk-on‘- und ‚Risk-off‘-Tagen gezeigt – Tagen, an denen entweder Risikoanlagen oder vermeintlich sichere Häfen gefragt sind. Dieses Muster dürfte sich fortsetzen, bis der konjunkturelle Trend in den großen geographischen Regionen und Wirtschaftsräumen erkennbar wird.“
Da die Leitzinsen in den Industrieländern für längere Zeit nahe null verharren dürften, meint der Chefvolkswirt von Invesco, dass die Renditesuche der Investoren weitergehen wird. „Dadurch rechne ich mit einer Höherbewertung von Qualitätsanlagen mit sicheren und nachhaltigen Anlageerträgen im Vergleich zu Vermögenswerten mit geringeren laufenden Einnahmen.“ Zu derartigen „Qualitätsanlagen“ könnten zum Beispiel Unternehmensanleihen oder bestimmte andere, höher verzinsliche Anleihen zählen, Dividendentitel, die durch ein stetiges Ertragswachstum oder eine solide Dividendenabsicherung gegen eine schwache Wirtschaftsentwicklung abgeschirmt sind, oder Immobilienfonds mit hohen und stabilen Mieteinnahmen. Im Rohstoffbereich profitiere Öl von der geopolitischen Instabilität im Mittleren Osten, während Agrar- und Industrierohstoffe die Wachstumssorgen in Europa und Asien stärker zu spüren bekämen.
Dem Wirtschaftsexperten zufolge wird die US-Wirtschaft ihre expansive Fiskalpolitik noch einige Zeit aufrechterhalten und weiter als Motor der Weltwirtschaft dienen können. Nachdem sich der überraschend positive Trend der Konjunkturdaten vom Januar und Februar im März wieder umgekehrt hat und weitere positive Überraschungen derzeit wenig wahrscheinlich erscheinen, warnt er jedoch vor Rückschlägen an den Märkten im Sommer. Insgesamt rechnet Greenwood mit einer Fortsetzung des moderaten Aufschwungs in den USA und prognostiziert ein reales BIP-Wachstum von 2,1% für 2012.
In Volkswirtschaften wie Großbritannien und Kontinentaleuropa ist der Spielraum für staatliche Stimulusprogramme hingegen begrenzt, da die Staatsausgaben hier bereits fast 50% des BIP betragen*. Die jüngsten Liquiditätsspritzen der EZB und die erfolgreiche griechische Umschuldung haben zwar eine Liquiditätsklemme im Bankensystem der Eurozone verhindert und die Stimmung auf dem Kontinent insgesamt deutlich verbessert. Greenwood hält diese Maßnahmen jedoch nur für „kurzfristige Beruhigungsmittel“ und nicht für „dauerhaften Lösungen.“ Angesichts der Härte und Dauer der Sparprogramme, die in den südlichen Mitgliedstaaten umgesetzt werden, rechnet er für längere Zeit mit einem Europa der zwei Geschwindigkeiten. Seiner Prognose zufolge wird das reale BIP der Eurozone im Jahr 2012 insgesamt um 0,3% schrumpfen, wobei die Volkswirtschaften im Norden der Eurozone moderat wachsen dürften und sich die Schwäche auf die Peripherieländer im südlichen Europa konzentrieren werde. Greenwood zufolge werden die Rezession in der Eurozone und das moderate Wachstum in den USA das BIP-Wachstum in Großbritannien 2012 auf 0,6% begrenzen.