Zu den derzeit viel diskutierten Folgen der Corona-Pandemie gehört der Einfluss auf die Inflation. Kurzfristig ist die Antwort klar: Der massive Einbruch der Wirtschaft und der drastische Rückgang der Investitions- und Konsumnachfrage haben eine deflatorische Wirkung. Die Inflationsrate lag in Deutschland im April unter der Marke von 1 Prozent, was allerdings auch den deutlich sinkenden Energiekosten geschuldet war. Aber auch die Kerninflation, die kurzfristig schwankende Energie- und Nahrungsmittelpreise nicht berücksichtigt, ist im April auf 1,2 Prozent gefallen. Im Jahresdurchschnitt dürfte die Inflation kaum über einen Wert von 1 Prozent hinauskommen, und auch im kommenden Jahr ist ein deutlicher Anstieg der Verbraucherpreise aufgrund der anhaltenden Wirkungen der Corona-Krise auf die Wirtschaft unwahrscheinlich.
Langfristige Folgen der expansiven Geldpolitik unklar
Wie sich die Krise allerdings langfristig auf die Preisstabilität auswirkt, ist weniger klar. Für einen deutlichen Inflationsschub spricht die erneute massive Geldflut infolge der umfangreichen staatlichen Hilfsprogramme. Es ist zu erwarten, dass die Notenbanken die Wirtschaft noch lange mit reichlich Liquidität versorgen werden. Selbst wenn die Inflation eines Tages wieder steigen sollte, ist nicht davon auszugehen, dass die Notenbanken auf einen restriktiveren Kurs umschwenken, zumal höhere Inflationsraten den Staaten die Bedienung ihrer exorbitanten Schulden erleichtern. Langfristig preissteigernd dürfte auch wirken, dass sich die Unternehmen insgesamt robuster aufstellen werden. Wenn sie ihre Lieferketten diversifizieren, die Lagerhaltung erhöhen und Standortentscheidungen nicht mehr so stark wie bisher von Effizienzgesichtspunkten abhängig machen, hat dies tendenziell höhere Kosten zur Folge. Steigt die Nachfrage wieder an, haben die Unternehmen gute Chancen, diese Kostensteigerungen in den Preisen weiterzugeben.
Globale Megatrends wirken inflationsdämpfend
Auf der anderen Seite gibt es allerdings strukturelle Faktoren, die weiterhin inflationsdämpfend wirken. Dazu zählt allen voran der demographische Wandel, der sich in den kommenden Jahren zunehmend bemerkbar machen und zu einem deutlichen Rückgang des Potenzialwachstums führen wird. Der zweite wesentliche Faktor ist die Digitalisierung, die aller Voraussicht nach durch die Corona-Krise einen zusätzlichen Schub erhält. Die daraus resultierenden Produktivitätsgewinne begrenzen ebenfalls das Inflationspotenzial. Als drittes wäre der globale Wettbewerb zu nennen: Zwar dürfte der Welthandel in den kommenden Jahren potenziell weniger stark zulegen als die globale Wirtschaftsleistung. Der grenzüberschreitende Wettbewerb bleibt jedoch grundsätzlich bestehen, was auch weiterhin preisdämpfend wirken wird.
Insgesamt lässt das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren eine moderat steigende Inflation im laufenden Jahrzehnt erwarten. Im Euroraum könnte das andauernde Unterschreiten des Inflationsziels von nahe 2 Prozent bald der Vergangenheit angehören. Inflationsraten jenseits der 5 Prozent-Marke sind aber vorläufig nicht in Sicht.
(FERI Gruppe)