Angesichts unserer bisherigen Erfahrungen dürften die Lockdowns, wie wir sie seit März hatten, wahrscheinlich der Vergangenheit angehören. Dies war für alle eine lehrreiche Erfahrung. Einige Länder haben sich gut geschlagen, andere weniger. Das Resümee, das wir daraus ziehen müssen, ist, dass wir nicht alle Geschäfte schließen können – und vor allem, dass dies gar nicht nötig ist. Die Regierungen, die schnell reagiert haben, befinden sich in einer besseren Position, um Methoden zur Nachverfolgung der Corona-Infektionen einzusetzen. In Zukunft werden wir wahrscheinlich nicht mehr hören, dass ein ganzes Land in den Lockdown geht, sondern eher, dass für eine bestimmte Region Lockdown-Maßnahmen angeordnet werden. Diese werden sehr spezifisch sein, da die Nachverfolgung zunehmend besser wird, vor allem, wenn der Winter näher rückt. Wir werden noch eine ganze Weile mit Covid-19 leben müssen. Es könnte durchaus sein, dass sich die Welt zwei Jahre lang mit dem Virus herumschlagen muss, bevor ein Impfstoff gefunden wird. Vorerst werden die Länder dank besserer Nachverfolgungsmethoden und lokal begrenzter Lockdowns darauf verzichten können, praktisch die gesamte Bevölkerung zu isolieren, wie es zuvor der Fall war.
Treten wir wieder in eine Wachstumsphase ein?
Die offensichtliche Antwort lautet «Ja». Das Problem ist jedoch, dass die Weltwirtschaft praktisch in eine Schockstarre versetzt wurde und einige Dinge nie wieder so sein werden wie früher. Ausgefallene Ferien, Restaurantbesuche und Friseurtermine werden nicht nachgeholt. Ein Haarschnitt genügt nach vier Monaten Isolation. Reisebüros, Fluggesellschaften, Bars, Restaurants, Hotels und andere betroffene Unternehmen müssen sich damit abfinden, dass der potenzielle Konsum aus dieser Zeit für immer verloren ist. Selbst eine «V-förmige» Erholung bedeutet nicht zwangsläufig, dass wir auf den vorherigen Pfad zurückkehren, sondern bestenfalls, dass wir den geplanten Konsum allmählich aufholen und dann im Laufe der Zeit auf einen neuen Kurs einschwenken. Einige Arbeitsplätze sind jedoch für immer verloren. Wir kehren zwar zum Wachstum zurück, doch die Wirtschaft hat dauerhafte Schäden erlitten, die nie wieder ausgeglichen werden.
Gefahr einer Zweiteilung des Credit-Marktes, falls Nullzinsen dauerhaft bleiben
Festverzinsliche Strategien starteten mit der Erwartung in das Jahr, dass die Renditen vor allem bei langfristigen Anleihen steigen würden. Dies ist jedoch nicht mehr der Fall und wird so bald auch nicht eintreten. Es bleibt die Frage, ob wir in Europa mittelfristig überhaupt wieder positive Zinssätze sehen werden. Die Realität sieht derzeit ganz anders aus als vor 20 Jahren, da wir uns gefühlt bereits seit einer Ewigkeit auf Nullzinsniveau befinden. Solange die Inflation noch nicht ansteigt, stellt die Duration noch keine Gefahr dar. Wenn die Zinssätze auf null gehalten werden, besteht jedoch die Möglichkeit, dass diese eine Inflation antreiben, die uns später Sorge bereiten könnte. Sie könnte zu einer Zweiteilung des Credit-Marktes führen: Gute Kreditnehmer könnten noch lange Zeit billiges Geld erhalten. Am anderen Ende des Spektrums könnten jedoch die Credit-Spreads für die Refinanzierung von Risiken in strukturell gefährdeten Branchen beachtlich sein.
Eine der Auswirkungen von Covid-19 ist die Beschleunigung von Trends, die bereits zuvor eingesetzt hatten. Die «High Street», also das Konzept geballter Ladengeschäfte in zentralen Einkaufsstraßen, war ohnehin schon angeschlagen und ist jetzt effektiv hinfällig. Auch der Energiesektor war bereits in eine «grüne» Richtung umgeschwenkt – ein Wandel, der jetzt massiv vorangetrieben wird. Fluggesellschaften und Energieunternehmen, die im Nicht-ESG-Bereich ein hohes Gewicht haben, wurden von der Pandemie besonders stark belastet. Was die Credit-Märkte angeht, erkennen wir weniger Chancen in der Old Economy, während sich die oben beschriebene Zweiteilung anbahnt. Asiatische Unternehmensanleihen könnten ein besseres Risiko-Rendite-Verhältnis bieten als Industrieländerwerte: BBB-Anleihen haben bereits die Hälfte der Spreadausweitung zurückgewonnen. Der forderungsbesicherte Bereich (ABS) hat ebenfalls den Großteil seiner Verluste wieder aufgeholt, da diese hauptsächlich auf die Liquiditätsknappheit, und nicht auf die Fundamentaldaten zurückzuführen waren. Alledem liegt die Tatsache zugrunde, dass die Zinssätze bei null liegen. Unternehmen, die sich refinanzieren können, werden noch lange von billigem Geld profitieren, und ihr Geschäft könnte florieren.
(GAM)