Angesichts der anhaltenden Bilanzsanierung in den Industrieländern und der weiterhin hohen
Exportabhängigkeit der Schwellenländer rechnet John Greenwood, Chefökonom von Invesco, im
weiteren Jahresverlauf 2013 mit unterdurchschnittlichen globalen Wachstumsraten bei geringem
Inflationsdruck. Aus Anlegersicht stelle sich in diesem Umfeld vor allem die Frage, ob der US-Markt
weiter als Zugpferd der globalen Aktienmärkte dienen kann. Gelingen werde dies nur, wenn die
Erholung in anderen Volkswirtschaften mit ähnlichem Tempo nachzieht, so Greenwood in seinem
neuesten Markt- und Wirtschaftsausblick.
Wie seine Analyse zeigt, erholen sich die Länder mit den gesündesten Bilanzstrukturen derzeit am
schnellsten. In erster Linie sind das die asiatischen und lateinamerikanischen Schwellenländer, deren
Wachstum allerdings durch ihre hohe Exportabhängigkeit von den schwächelnden Industrieländern
gebremst wird. Da eine strukturelle Neujustierung hin zu einer stärker binnenwirtschaftlich
ausgerichteten Wachstumsbasis in den Schwellenländern ein langwieriger Prozess ist, meint
Greenwood, dass diese Märkte ihr Potenzial auch 2013 noch nicht wieder erreichen werden.
Unter den krisengeschüttelten Industrieländern verzeichnen die Länder, in denen die
Bilanzgesundung am weitesten fortgeschritten ist, die höchsten Wachstumsraten (relativ zu ihrem
Potenzial) und die beste Aktienmarktperformance. An erster Stelle sind das die USA, gefolgt von
Ländern wie Australien, Kanada, Schweden und Deutschland, in denen die größten Exzesse der
Immobilien- und Kreditblase vermieden wurden. In Großbritannien schreitet der Entschuldungsprozess
deutlich langsamer voran, und große Teile der Eurozone, die bislang kaum Fortschritte beim
Schuldenabbau gemacht haben, befinden sich weiter in der Rezession.
Aufgrund der wachstumsdämpfenden Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in den USA
rechnet Greenwood hier in den kommenden Quartalen mit einem Wachstum von maximal 2-3%.
Deutlich schwächer werden die Wachstumsraten seiner Erwartung nach in den anderen
Industrieländern ausfallen, wobei Großbritannien weiter mit Inflationsrisiken kämpft, während der
Eurozone in den nächsten ein bis zwei Jahren eine Deflation drohen könnte. Verhaltener ist hier auch
der Marktausblick, nachdem die Zypernkrise zuletzt wieder ins Bewusstsein gerückt hat, dass die
Eurokrise noch längst nicht überstanden ist.
„Sollten sich andere Märkte im Kielwasser des US-Aufschwungs mit erholen, wäre der Bedarf für
Bilanzreparaturen weniger akut“, schreibt Greenwood. „Wenn die Gesundung der notleidenden
Sektoren in Regionen wie der Eurozone und Großbritannien aber nicht gelingt, könnte der globale
Aufschwung an diesen Volkswirtschaften vorbeigehen – ähnlich wie es Japan in den letzten beiden
Jahrzehnten ergangen ist.“