Wirtschaft

Lausitzer Rundschau: GASTKOMMENTAR VON HANS-DIETRICH GENSCHER, EX-BUNDESAUSSENMINISTER Was lehrt uns der 9. November 1989?

Cottbus (ots) - Richard von Weizsäcker verdanken wir die Feststellung: Unsere Geschichte hat uns nie allein gehört. Man möchte hinzufügen: Und sie wird uns nie allein gehören. Wir sind das Volk in der Mitte Europas, das Land mit den meisten Nachbarn. Was in Deutschland geschieht, zum Guten wie zum Schlechten, hat Auswirkungen auf den ganzen Kontinent.

Was alle die unterschiedlichen Akteure einte, war ihre Friedfertigkeit. Keine Gewalt! Es wurde am 9. Oktober 1989 in den Straßen von Leipzig zum Mahnruf, den alle hörten und beachteten. Die friedfertigen Revolutionäre genauso wie die Uniformierten, die ihnen entgegengestellt wurden. So wurde 1989 nicht nur zu einem Freiheitsjahr, sondern zu einem Friedensjahr. Und wichtig genug: zu einem europäischen Friedensjahr. Es waren nicht mehr nur Demonstrationen in einem Land. Es war eine europäische Freiheitsrevolution. Man kann heute sagen: In der ganzen und oft blutigen Geschichte Europas waren sich die Völker Europas niemals so einig und so nah wie 1989. Das ist das große, das kostbare Vermächtnis der europäischen Freiheitsrevolution vor 20 Jahren. Wir sollten uns dieses Vermächtnisses nicht nur erinnern, sondern auch in Zukunft danach handeln. Was 1989 geschah, war ein Volksaufstand im wahrsten Sinne des Wortes. Genauso wahr ist: Die Mauer ist vom Osten her zum Einsturz gebracht worden. Mit dem Willen zur Freiheit, mit der Gesinnung des Friedens und mit bloßen Händen. Was der Westen tun konnte, war etwas anderes. Er schuf mit der Politik des Dialogs und der Zusammenarbeit mit dem Osten, mit den deutschen Ostverträgen und mit der Schlussakte von Helsinki einen Rahmen und ein politisches Klima, in dem die Entwicklungen der Jahre hin zu 1989 ohne Gefahr für die Stabilität möglich wurden. Seit 20 Jahren gestalten Deutsche und Europäer ihre Zukunft gemeinsam. Die Erweiterung der Europäischen Union um unsere Nachbarn in Mittel- und Südosteuropa ist eine historische Leistung. Heute können wir feststellen: Europa, das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Opfer zweier Weltkriege wurde, wobei Hitlers Vernichtungskrieg in seiner Einmaligkeit alles Dagewesene übertraf, hat gezeigt, dass man aus der Geschichte lernen kann. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist in Europa eine neue Kultur des Zusammenlebens der Völker entstanden, der kleinen und der größeren, denn sie sind alle nicht nur gleichberechtigt, sie sind ebenbürtig. Heute, da es darum geht, eine neue Weltordnung zu gestalten, sollte Europa sein Beispiel als die Botschaft an die Völker der Welt verstehen. Europa hat diese Botschaft! Europa ist mit dieser Botschaft nicht allein. In vielen Teilen der Welt blickt man mit Vertrauen und mit Hoffnung auf dieses, das neue Europa. Vor einem Jahr hat sich das amerikanische Volk im Bewusstsein seiner großen Freiheitstradition auch für einen solchen Weg entschieden. Das ist eine gute Voraussetzung für das neue Jahrzehnt, an dessen Schwelle wir stehen. Es gilt, den großen europäischen Raum zu gestalten. Einen Raum, der Russland einschließt. Das große russische Volk ist unser natürlicher Partner und nicht unser natürlicher Gegner. Aber Europa hat eben auch eine Verantwortung für die neue Weltordnung, die den Gedanken der Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit auch gegenüber den Völkern auf der südlichen Halbkugel zur Geltung bringen muss. Auch das gehört zum Auftrag der großen Freiheits- und Menschlichkeitsbotschaft des Jahres 1989.

Quelle: News Aktuell

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