Seien es Äußerungen von Peter Praet, dem Chefökonomen der Europäischen Zentralbank EZB, der die Worte von Benoît Coeuré über die Einführung neuer längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte für Banken (GLRG) bekräftigte, oder die Protokolle der letzten Fed-Sitzung; seien es schlechte Auftragszahlen für dauerhafte Wirtschaftsgüter in den USA oder weiterhin schwache IFO- und ZEW-Umfragen in Europa; seien es Hoffnungen und Unsicherheit kurz vor einem Treffen zwischen Trump und dem chinesischen Vize-Premierminister – stets ist es das gleiche Dreigespann, das für Schlagzeilen und Bewegung an den Märkten sorgt: der moderatere Kurs der Zentralbanken, die Sorgen um das weltweite Wachstum und die Handelsgespräche zwischen China und den USA.
Vor diesem unveränderten Hintergrund zeigte uns die vergangene Woche mit den vorläufigen Einkaufsmanagerindizes für Februar ein interessantes Phänomen. In den USA wie in Deutschland und der Eurozone enttäuschten die Zahlen für das verarbeitende Gewerbe mit einer Verschlechterung, während die Zahlen für den Dienstleistungssektor sich erholten und die Konsenserwartungen übertrafen. Diese Entkopplung zwischen dem Vertrauen in den Industriesektor und den Tertiärsektor ist nicht außergewöhnlich, wirft jedoch Fragen auf. Was die Finanzmärkte anbelangt, ist der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe noch vor dem Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor einer der am meisten beachteten Indikatoren. Dies lässt sich beispielsweise bei Betrachtung des Bloomberg-Relevanzindikators feststellen. Dieser misst die potenziellen Auswirkungen der Konjunkturzahlen auf die Märkte und ist für das verarbeitende Gewerbe generell höher als für den Tertiärsektor.
Was das Gewicht in der Wirtschaft betrifft, entfällt dennoch der Löwenanteil auf Dienstleistungen. Sie machen rund 60 Prozent der Weltwirtschaft aus, ein Wert, der in den Industrieländern noch höher ist (69 Prozent in Deutschland, 80 Prozent in den USA). Da die Schwellenländer, allen voran China, zudem eine Umwandlung ihres Wirtschaftsmodells vollziehen, wird dieser Anteil auf jeden Fall noch steigen. „Nichts Neues“, werden Sie sagen. Dieses Phänomen der Tertiärisierung der Wirtschaft ist fast hundert Jahre alt, denn der Tertiärsektor überholte den Landwirtschafts- und den Industriesektor in den Industrienationen bereits in den 1930er Jahren.
Warum also besteht die Dominanz des Industriesektors bei der Wirtschaftsanalyse fort? Der Hauptgrund besteht darin, dass sich der Tertiärsektor nachgelagert zum verarbeitenden Gewerbe entwickelte und das Aktivitätsniveau im Dienstleistungsbereich unmittelbar von jenem im Industriesektor abhängt. Die Industrieaktivität, die der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe misst, gilt daher als guter Frühindikator für die Aktivität im Dienstleistungssektor. Aber trifft diese Abhängigkeit des Tertiärsektors vom verarbeitenden Gewerbe überhaupt noch zu? Je mehr sich in den reifen Volkswirtschaften die auf Unternehmen und Personen ausgerichteten Dienstleistungen entwickeln, je mehr sich die Art des Konsums verändert und je weiter die Digitalisierung voranschreitet, desto weniger offensichtlich ist dies.
Richtet man den Blick vor allem auf die Einkaufsmanagerindizes für den Dienstleistungssektor, bietet sich bei den Veröffentlichungen der vergangenen Woche, und breiter gefasst bei Betrachtung der Weltwirtschaft, ein anderes Bild. Obwohl auch die Zahlen für den Tertiärsektor eine Wachstumsverlangsamung bestätigen, liegen sie mehrheitlich nach wie vor deutlich über der Schwelle von 50 (d. h. der Grenze zwischen Expansion und Kontraktion der Wirtschaftsaktivität). Ihre Pendants für das verarbeitende Gewerbe berühren oder unterschreiten diese Schwelle. Ein Zeichen dafür, dass es dem Großteil der Wirtschaft gar nicht so schlecht geht. Eine gute, doch leider kaum beachtete Nachricht!
(GFD)