Wirtschaft

EMI: Nachfrageflaute lässt Neuaufträge im Mai weiter sinken

Die Nachfrage nach deutschen Industriegütern hat sich im Mai weiter abgeschwächt

Foto-Rabe / Pixabay

Das signalisiert der saisonbereinigte S&P Global/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI). Der wichtige Konjunktur-Frühindikator für die größte Volkswirtschaft Europas notierte mit 54,8 Punkten im Mai etwas über dem 20-Monatstief von April (54,6). Die Anzahl der Neuaufträge ging aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheiten, stark steigender Preise sowie Covid-19-bedingter Lockdowns in China erneut zurück. Die Produktionsrate stieg dennoch leicht an, gestützt durch die Abarbeitung der Auftragsbestände, mehr Mitarbeiter und in einigen Fällen verbesserte Materialverfügbarkeit. Der Geschäftsausblick blieb allerdings im negativen Bereich.

„Den EMI-Daten zufolge konnte die Industrie ihre Produktion im Mai wieder erhöhen. Dennoch haben viele Unternehmen weiter mit Lieferengpässen zu kämpfen“, betonte Gundula Ullah, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), am Freitag in Eschborn. Der Mangel an Rohstoffen und Vorprodukten dürfte ihrer Einschätzung nach daher noch eine Zeit lang anhalten. Positiv sei dagegen, dass sich die Lieferzeiten so geringfügig verlängert haben wie seit Dezember 2020 nicht mehr.

„Der jüngste EMI zeigt erste Stabilisierungstendenzen, wenn auch nur sehr schwach. Die Belastungen aus der chinesischen Null-Covid-Strategie sowie durch den Ukraine-Krieg sind weiterhin hoch. Auch herrscht aufgrund der ausufernden Inflation eine gewisse Zinsangst, nachdem die EZB-Präsidentin kürzlich die Zinswende für Juli angekündigt hat. Zinserhöhungen sind ein zweischneidiges Schwert“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, am Freitag auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Sie können einerseits die Inflationserwartungen stabilisieren, auch die Preise über die importierte Inflation abdämpfen, gleichzeitig bestehe bei einer restriktiven Geldpolitik das Risiko einer Rezession. „Wir gehen davon aus, dass die Zinsen zwar erhöht werden und im Laufe dieses Jahres die negativen Einlagezinsen Geschichte sein werden, aber bis zu einer restriktiven Geldpolitik ist es noch ein sehr langer Weg“, fügte die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.

„Die Folgen der Lockdowns in China für die deutsche Wirtschaft werden sich erst in einigen Wochen zeigen. Trotz der teilweise wieder besseren Stimmung sind die Konjunkturrisiken klar abwärtsgerichtet“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, am Freitag dem BME.

„Die verhaltenen Geschäftsaussichten spiegeln die große Unsicherheit der Unternehmen wider. Nicht nur Lieferengpässe und steigende Preise für Energie, Rohstoffe und Vorprodukte machen den Unternehmen zu schaffen. Auch die weltweite Nachfrage nach deutschen Industrieprodukten trübt sich ein“, teilte DIHK-Konjunkturexperte Dr. Jupp Zenzen am Freitag dem BME mit. Aufgrund gestiegener Weltmarktpreise für Getreide dürfte seiner Einschätzung nach „gerade in ärmeren Ländern der Import von Nahrungsmitteln eine sehr hohe Priorität haben – auch zu Lasten von Maschinen oder Anlagen aus Deutschland“.

Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gab Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG, am Freitag dem BME folgende Einschätzung: „Im Verlauf des Mai 2022 kam es bei etlichen Rohstoffen zu einer deutlichen Preiskorrektur. Die Sorgen über eine mögliche Rezession infolge des Krieges in der Ukraine, die Lockdowns in China und nach wie vor gestörte Lieferketten aufgrund nicht verfügbarer Frachtkapazitäten lösten die Wende bei metallischen Rohstoffen aus. Vor allem der Stahlhandel hielt sich nach dem Preispeak im April mit Orders zurück. Wir erwarten noch eine weitere Korrektur nach unten. Dagegen blieb der Rohölpreis auf hohem Niveau, weil ein Ölembargo gegen Russland zu erwarten war. Die Preise gaben zwar etwas nach, nachdem sich die Erwartung durchsetzte, dass es nicht so schlimm kommt, wie ursprünglich befürchtet. Gleichwohl sehen wir vorerst keine gravierende Preisanpassung bei Rohöl.“

Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:

Produktion: Nach der leichten Delle im April weiteten die Hersteller ihre Produktion im Mai wieder aus. Auch wenn einige Firmen einen reibungsloseren Materialnachschub registrierten und mehr Personal in der Fertigung zur Verfügung hatten, waren die anhaltenden Lieferengpässe vielerorts immer noch ein limitierender Faktor. Dies spiegelt sich in der insgesamt nur moderaten Steigerungsrate wider.

Auftragseingang: Der Abwärtstrend bei den Neuaufträgen hielt nicht nur an, er beschleunigte sich sogar noch, nachdem im April erstmals seit fast zwei Jahren ein Minus zu Buche schlug. Laut Befragten waren gleich mehrere Gründe dafür verantwortlich – allen voran der Krieg in der Ukraine, der die ohnehin angespannte Preis- und Liefersituation noch verschärft hat und zu größerer Zurückhaltung bei den Kunden führte. Daneben wirkten sich auch die Covid-19-bedingten Lockdowns in China negativ auf die Nachfrage aus.

Auftragseingang Export: Im Auslandsgeschäft wurde bereits den dritten Monat in Folge ein Minus verbucht, das zudem deutlich stärker ausfiel als das beim Gesamt-Auftragseingang. Während sich laut Umfrageteilnehmern aufgrund wachsender Unsicherheiten und Störungen in den Lieferketten die Nachfrage insgesamt abkühlte, kamen vor allem aus China und Russland weniger Aufträge. Alle drei Teilbereiche der Industrie verzeichneten Rückgänge, angeführt vom Konsumgüterbereich.

Geschäftsaussichten: Der Teilindex Jahresausblick blieb gegenüber dem 23-Monatstief vom Vormonat unverändert und notierte damit weiter knapp unter der neutralen Referenzlinie von 50,0 Punkten. Dies zeigt, dass die Unternehmen, die binnen Jahresfrist mit Produktionseinbußen rechnen, etwas in der Überzahl sind. Nach wie vor beschäftigt und besorgt die Allermeisten vor allem der Krieg in der Ukraine und dessen Auswirkungen auf die Lieferketten, die Preise und das Kaufverhalten der Kunden.

Beschäftigung: Positiver Lichtblick war erneut die Beschäftigung. Nicht nur, dass hier erneut ein Plus verzeichnet wurde, das Wachstum beschleunigte sich sogar auf ein 3-Monatshoch. Viele Hersteller sind nach wie vor bestrebt, offene Stellen zu besetzen, um die Auftragsbestände schneller abarbeiten zu können. In allen drei Teilbereichen wurden kräftige Personalzuwächse verbucht. Spitzenreiter blieb der Investitionsgüterbereich.

Einkaufspreise: Die Produktionskosten stiegen abermals stark an. Zahlreiche Umfrageteilnehmer verwiesen auf die anhaltenden massiven Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage sowohl bei Rohstoffen als auch im Transport, ganz zu schweigen von den exorbitant hohen Energie- und Kraftstoffpreisen. Obwohl die Inflationsrate gegenüber April etwas zurückgegangen ist und sich weiter von den Rekordwerten des vergangenen Jahres entfernt, blieb sie auf historisch hohem Niveau.

Verkaufspreise: Den hohen Kostendruck versuchten viele Hersteller abzufedern, indem sie ihre Verkaufspreise anhoben und damit zumindest einen Teil der Last in ihre Kunden weitergaben. Zwar schwächte sich die Teuerungsrate im Vergleich zum Vormonat minimal ab, sie war aber dennoch höher als zu jedem anderen Zeitpunkt davor seit Beginn dieser Datenreihe im September 2002. In allen drei Teilbereichen wurden kräftige Preisanstiege registriert.
(EMI)

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