Der Ausbruch des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) am vergangenen Samstag kam plötzlich. Aber angedeutet hatte sich der Eklat schon seit Längerem. Am vergangenen Donnerstag saßen die Ministerpräsidenten der Union bei Kanzlerin Angela Merkel zusammen und klagten ihr Leid über die völlig unrealistische Finanzpolitik der FDP. „Die Stimmung war ziemlich mies“, berichtete einer der Teilnehmer. Denn nicht ganz zu Unrecht fürchteten die christdemokratischen Länderchefs, dass sie womöglich die Suppe auslöffeln müssten, die ihnen die Liberalen mit ihren Blütenträumen einbrocken würden.
Am Freitag ließ dann einer der CDU-Ministerpräsidenten in kleiner Runde seinem Ärger freien Lauf. „Dilettantismus“ herrsche in Berlin, das bisherige Programm der Koalitionäre sei „ein Wunschkonzert“. Es würde bei voller Wirksamkeit allein den Bund an Mehrausgaben und Mindereinnahmen jährlich 50 bis 60 Milliarden Euro kosten. Die „Koalition der Mehrausgeber“ war geboren. Schnell schlossen sich andere Länderchefs dem allgemeinen Missvergnügen an. Hessens Ministerpräsident Roland Koch sprach von den „Drückebergern in der FDP, aber auch bei CDU und CSU“, die die Realität der Staatsfinanzen nicht zur Kenntnis nehmen wollten.
Zum Eklat kam es am Samstag kurz vor 14 Uhr, als der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Finanzen, der FDP-Politiker Hermann Otto Solms, der großen Runde die Pläne zur Senkung der Einkommen-, Erbschaft- und Unternehmensteuer vorstellte. Noch ehe der Finanzexperte geendet hatte, polterte der Niedersachse Wulff los. Er habe genug vom „finanzpolitischen Blindflug der FDP“, die Vorstellungen der Liberalen seien „in hohem Maße unseriös“ und „realitätsfern“. Solche Pläne träfen im Bundesrat auf das Veto der Niedersachsen.
Der Ausbruch war wohl kalkuliert, wie Teilnehmer berichten. Und die Antwort der Gegenseite ließ nicht lang auf sich warten. Wenn die Union keine Entlastungen wolle, „dann wären wir wohl durch“, beschied Westerwelle dem CDU-Ministerpräsidenten kalt. Wie er das meine, fragte daraufhin Unionsfraktionschef Volker Kauder. „Zwei von drei Parteien würden über eine solche Klippe nicht springen“, antwortete der FDP-Chef selbstbewusst und holte sich sofort die Zustimmung des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, der eifrig mit dem Kopf nickte. Die neue Koalition stand auf der Kippe.