Wirtschaft

Die Politik zurück im Fokus der Finanzmärkte

Eine Zeitenwende steht an: Sechs Jahre lang hat die Geldpolitik das Geschehen an den Finanzmärkten dominiert wie noch nie und die Weltwirtschaft nach der Lehmann Pleite vor einem Totalkollaps bewahrt: Zunächst mit Leitzinssenkungen und als diese bei null angekommen waren mit dem Ankauf von privaten und staatlichen Schuldtiteln. In den nächsten sechs Jahren fällt dieser Rückenwind der Geldpolitik weg. In den USA und UK läuft der Ankauf von Staatsanleihen langsam aus und die Zentralbanken bereiten die Finanzmärkte auf Zinserhöhungen im nächsten Jahr vor. In Euroland und Japan bestehen Forderungen nach weiterer geldpolitischer Stimulierung fort. Die Bereitschaft beider Zentralbanken entsprechende Programme aufzulegen ist allerdings nicht sehr hoch.

Entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung wird vielmehr die allgemeine Wirtschaftspolitik sein, vor allem die Strukturpolitik. Zudem wird es darum gehen, geopolitische Gefahren zu meistern und regionalpolitische Fallstricke zu umgehen. Die Unabhängigkeitsbestrebungen einzelner Regionen in Europa gehören dazu.

Politische Börsen haben kurze Beine, heißt das Sprichwort. Das mag stimmen. Mittelfristig stellen aber politische Entscheidungen die wichtigen Weichen für die wirtschaftlichen Entwicklungen und lösen oder verstärken strukturelle Probleme in der Volkswirtschaft. Daher verwies EZB-Präsident Draghi darauf, daß eine noch expansivere Geldpolitik nicht helfen würde, wenn Unternehmen auf Grund einer zu komplizierten Regulierung oder langsamen Administration nicht investierten. Entsprechend würden in der Europäischen Währungsunion derzeit die Länder am stärksten wachsen, die in den letzten Jahren eine höhere Reformbereitschaft aufgewiesen hätten. Das Potenzialwachstum zu erhöhen ist allerdings nicht ganz so einfach, da Intereßengruppen meist gute Gründe für wachstumsfeindliche Regulierungen finden. Dazu kommt, daß Veränderungen von der Bevölkerung häufig per se als unerwünscht wahrgenommen werde.

Das derzeit diskutierte Handelsabkommen zwischen den USA und Europa wäre ein Beispiel, wie der Handel intensiviert und das Produktivitätswachstum und damit die Einkommensentwicklung in beiden Kontinenten gestärkt werden könnte. Quantifizieren laßen sich diese Gewinne nur schlecht, während Nachteile und Veränderungen sehr plastisch dargestellt werden können. Die Opposition gegenüber diesem Abkommen ist entsprechend groß. Ähnliches gilt für viele andere Bereiche wie beispielsweise eine stärkere Liberalisierung des Dienstleistungssektors oder der Arbeitsmärkte in einigen Ländern der EU. In und nach der Finanzkrise hat die extrem expansive Geldpolitik den zeitlichen Spielraum geschaffen, einen zyklischen Nachfrageausfall abzumildern, Geschäftsmodelle zu überarbeiten und sich für zukünftige Herausforderungen vorzubereiten. Die nächsten Jahre werden zeigen, welche Länder und Sektoren diesen Spielraum gut und welche ihn nicht genutzt haben.

Von KARSTEN JUNIUS, Chefvolkswirt, Bank J. Safra Sarasin



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