Wirtschaft

Auswirkungen der derzeitigen geopolitischen Spannungen auf die Finanzmärkte

Asoka Wöhrmann, CIO Deutsche Asset & Wealth Management, über die Auswirkungen der derzeitigen geopolitischen Spannungen auf die Finanzmärkte I. Ukraine-Russland-Konflikt: politische Implikationen Der Absturz des malaysischen Flugzeugs MH17 stellt ein signifikantes Risiko für die politischen Beziehungen zwischen Russland und dem Westen sowie die politische Situation in der Ukraine dar. Politische Szenarien und Implikationen unter verschiedenen Szenarien Politische Beziehungen zwischen Russland und dem Westen verschlechtern sich deutlich: Eine Verschärfung der Rhetorik seit Barack Obamas Pressekonferenz am Freitag, auf der der amerikanische Präsident sagte, dass es klar sei, dass Russland die Separatisten unterstützt, die die Rakete abgefeuert hatten. „Hängepartie“ im Zeichen großer Unsicherheit (derzeitiger Status Quo): Politische Zeichen des guten Willens, enttäuscht durch konkrete Handlungen, andauernde Spannungen innerhalb der Ukraine Bester Fall: Im Angesicht ernsthafter Auswirkungen überdenkt der russische Präsident Vladimir Putin die Situation: Der Vorfall könnte die Vision, die Ukraine fest an Russland zu binden, verändern. Kurzfristiges Anzeichen dafür ist, ob Putin eine vollständige von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO geleitete Untersuchung des Absturzes zulässt und bekanntgibt, dass Russland die Separatisten nicht unterstützt und stattdessen ernsthaft an einem permanenten Waffenstillstand arbeitet. In seiner Ansprache am 20.7. sagte Putin, dass alles getan würde, um die Sicherheit der internationalen Experten zu gewährleisten. Diese Aussage würde das 3. Szenario unterstützen und der russische Finanzmarkt scheint dies auch anzunehmen. Allerdings sind es bisher nur Worte. Unserer Meinung nach lassen die beobachtbaren Handlungen eher das 2. Szenario („Hängepartie“) vermuten. Russische Wirtschaft, Effekt derzeitiger und potentiell zukünftiger Sanktionen Derzeitige Situation: Starke Kapitalabflüsse scheinen sich stabilisiert zu haben. Der ökonomische Abschwung hat zunächst einen Haltepunkt gefunden. Das Stagnations-Szenario gewinnt an Wahrscheinlichkeit. Auswirkungen auf die russische Wirtschaft durch die letzte Sanktionsrunde: Restriktionen der externen Anleihefinanzierung ausgesuchter Unternehmen, die diese von den globalen Finanzmärkten abschneiden. Hoher externer Finanzierungsbedarf des russischen Unternehmenssektors. Steigende Finanzierungskosten. Veränderungen in Bond-Indizes: seit April 2014 sind russische Rubel-Anleihen im Barclays Global Aggregate Index enthalten. Neben dem Rating ist eine notwendige Bedingung für die Inklusion im Index ein freier Marktzugang und Marktliquidität. Falls weitere Sanktionen verhängt werden, könnte es sein, dass diese Bedingungen nicht erfüllt werden. Das könnte dazu führen, dass russische Lokalwährungs-Staatsanleihen und Investment-Grade-Unternehmensanleihen wieder aus dem Index herausgenommen würden. Hartwährungs-Staatsanleihen sollten allerdings nicht betroffen sein. Auswirkungen eines wahrscheinlicheren Szenarios weiterer Sanktionen: Russland driftet möglicherweise in eine Rezession. Kapitalabflüsse stellen ein wesentliches Problem für die Wirtschaftspolitik dar. Das Institute of International Finance (IIF) schätzt, dass die Kapitalabflüsse auf 50% relativ zur Basis steigen würden. Wir erwarten, dass das Haushaltsdefizit in 2015 auf 6,5% vom BIP steigt und der externe Finanzierungsbedarf auf 120 Mrd. USD im Jahr steigt (eine Höhe, die der IIF als problematisch ansieht). Durch die Gründung der BRICS-Entwicklungsbank könnte Russland in der Lage sein, eine zusätzliche Finanzierungsquelle nutzen zu können. II. Andere geopolitische Ereignisse (Naher Osten) Es gibt mehrere Krisenherde im Nahen Osten, die zu weiterer Instabilität führen könnten, die wiederum Ölangebotsunterbrechung und Ölpreisspitzen sowie eine anhaltend höhere Risikoprämie auf den Ölmärkten nach sich ziehen könnten. Abhängig von der Dauer dieser Entwicklungen könnten diese Ereignisse niedrigeres globalen Wachstum verursachen. Konkrete Auslöser könnten sein: Regionale Ausbreitung der Konflikte in Syrien/Irak (potentieller Folgeeffekt auf die Türkei, wo dies zu zusätzlicher wirtschaftlicher, finanzieller und Innenpolitik-Schwäche führen würde) oder Weitere Eskalation des Israel-Palästina- oder Israel-Iran-Konflikts (potentielle Präventiv-Attacke von Israel auf iranische Atomanlagen und potentieller Gegenschlag durch verstärkten Terrorismus durch die Hisbollah) III. Marktauswirkungen: Einfluss auf die Assetklassen Staatsanleihen aus Kernmärkten: Wir erwarten, dass es lange dauern wird bis die Situation im Anleihemarkt abklingt, erwarten aber nicht, dass die Zuflüsse in Anleihen zunehmen, die als sicherer Hafen gesehen werden, denn vieles ist bereits eingepreist. Hartwährungs-Staatsanleihen aus Schwellenländern: Russische Staatsanleihen sind nicht direkt betroffen von den Sanktionen, da sie bspw. nicht auf der neuen US-Sanktionsliste stehen. Das Schuldenprofil bleibt eines der stärksten in den Schwellenländern. Den größten Einfluss hat momentan die sich verschlechternde Stimmung. Unternehmensanleihen: Wir bleiben positiv für Unternehmensanleihen aus Industrieländern, beobachten aber die Entwicklungen um potentielle neue Sanktionen sehr genau bzgl. Unternehmensanleihen aus Schwellenländern. Russische Unternehmensanleihen sollten mittelfristig hauptsächlich basierend auf der gefühlten Wahrscheinlichkeit der Einführung härterer Sanktionen handeln (besonders valide für die Indexmitglieder des Corporate Emerging Market Bond Index CEMBI). Mittelfristig werden deshalb Gewinne russischer Unternehmen weniger relevant sein als normalerweise Sowohl ausgehend vom Ukraine-Russland-Konflikt als auch von den Ereignissen im Nahen Osten sehen wir bisher keine signifikante Ausbreitung auf andere Schwellenländer-Unternehmen. Aktien: Bisher hat sich der amerikanische Dow Jones Industrial Average von den Sanktionen gegen Russland unbeeindruckt gezeigt. Wir erwarten, dass die Aktienmärkte eher auf eine Reihe von Ereignissen als auf einzelne reagieren, aber tendenziell steigt die Volatilität bei niedrigen Volumen im Sommer. Größte Sorge stellen die Auswirkungen auf die europäischen Gewinne dar. In Bezug auf die Situation im Nahen Osten beobachten wir höhere Volatilität in der Region, sehen aber keinen Effekt auf die globalen Märkte.  

Gerd_Altmann/pixelio.de

Asoka Wöhrmann, CIO Deutsche Asset & Wealth Management, über die Auswirkungen der derzeitigen geopolitischen Spannungen auf die Finanzmärkte

I. Ukraine-Russland-Konflikt: politische Implikationen

Der Absturz des malaysischen Flugzeugs MH17 stellt ein signifikantes Risiko für die politischen Beziehungen zwischen Russland und dem Westen sowie die politische Situation in der Ukraine dar.

Politische Szenarien und Implikationen unter verschiedenen Szenarien

  1. Politische Beziehungen zwischen Russland und dem Westen verschlechtern sich deutlich: Eine Verschärfung der Rhetorik seit Barack Obamas Pressekonferenz am Freitag, auf der der amerikanische Präsident sagte, dass es klar sei, dass Russland die Separatisten unterstützt, die die Rakete abgefeuert hatten.
  2. „Hängepartie“ im Zeichen großer Unsicherheit (derzeitiger Status Quo): Politische Zeichen des guten Willens, enttäuscht durch konkrete Handlungen, andauernde Spannungen innerhalb der Ukraine
  3. Bester Fall: Im Angesicht ernsthafter Auswirkungen überdenkt der russische Präsident Vladimir Putin die Situation: Der Vorfall könnte die Vision, die Ukraine fest an Russland zu binden, verändern. Kurzfristiges Anzeichen dafür ist, ob Putin eine vollständige von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO geleitete Untersuchung des Absturzes zulässt und bekanntgibt, dass Russland die Separatisten nicht unterstützt und stattdessen ernsthaft an einem permanenten Waffenstillstand arbeitet.

In seiner Ansprache am 20.7. sagte Putin, dass alles getan würde, um die Sicherheit der internationalen Experten zu gewährleisten. Diese Aussage würde das 3. Szenario unterstützen und der russische Finanzmarkt scheint dies auch anzunehmen. Allerdings sind es bisher nur Worte. Unserer Meinung nach lassen die beobachtbaren Handlungen eher das 2. Szenario („Hängepartie“) vermuten.

Russische Wirtschaft, Effekt derzeitiger und potentiell zukünftiger Sanktionen

Derzeitige Situation: Starke Kapitalabflüsse scheinen sich stabilisiert zu haben. Der ökonomische Abschwung hat zunächst einen Haltepunkt gefunden. Das Stagnations-Szenario gewinnt an Wahrscheinlichkeit.

Auswirkungen auf die russische Wirtschaft durch die letzte Sanktionsrunde:

Restriktionen der externen Anleihefinanzierung ausgesuchter Unternehmen, die diese von den globalen Finanzmärkten abschneiden.

  • Hoher externer Finanzierungsbedarf des russischen Unternehmenssektors. Steigende Finanzierungskosten.
  • Veränderungen in Bond-Indizes: seit April 2014 sind russische Rubel-Anleihen im Barclays Global Aggregate Index enthalten. Neben dem Rating ist eine notwendige Bedingung für die Inklusion im Index ein freier Marktzugang und Marktliquidität. Falls weitere Sanktionen verhängt werden, könnte es sein, dass diese Bedingungen nicht erfüllt werden. Das könnte dazu führen, dass russische Lokalwährungs-Staatsanleihen und Investment-Grade-Unternehmensanleihen wieder aus dem Index herausgenommen würden.
  • Hartwährungs-Staatsanleihen sollten allerdings nicht betroffen sein.

Auswirkungen eines wahrscheinlicheren Szenarios weiterer Sanktionen:

  • Russland driftet möglicherweise in eine Rezession. Kapitalabflüsse stellen ein wesentliches Problem für die Wirtschaftspolitik dar.
  • Das Institute of International Finance (IIF) schätzt, dass die Kapitalabflüsse auf 50% relativ zur Basis steigen würden. Wir erwarten, dass das Haushaltsdefizit in 2015 auf 6,5% vom BIP steigt und der externe Finanzierungsbedarf auf 120 Mrd. USD im Jahr steigt (eine Höhe, die der IIF als problematisch ansieht).

Durch die Gründung der BRICS-Entwicklungsbank könnte Russland in der Lage sein, eine zusätzliche Finanzierungsquelle nutzen zu können.

II. Andere geopolitische Ereignisse (Naher Osten)

Es gibt mehrere Krisenherde im Nahen Osten, die zu weiterer Instabilität führen könnten, die wiederum Ölangebotsunterbrechung und Ölpreisspitzen sowie eine anhaltend höhere Risikoprämie auf den Ölmärkten nach sich ziehen könnten. Abhängig von der Dauer dieser Entwicklungen könnten diese Ereignisse niedrigeres globalen Wachstum verursachen. Konkrete Auslöser könnten sein:

  • Regionale Ausbreitung der Konflikte in Syrien/Irak (potentieller Folgeeffekt auf die Türkei, wo dies zu zusätzlicher wirtschaftlicher, finanzieller und Innenpolitik-Schwäche führen würde) oder
  • Weitere Eskalation des Israel-Palästina- oder Israel-Iran-Konflikts (potentielle Präventiv-Attacke von Israel auf iranische Atomanlagen und potentieller Gegenschlag durch verstärkten Terrorismus durch die Hisbollah)

III. Marktauswirkungen: Einfluss auf die Assetklassen

  • Staatsanleihen aus Kernmärkten: Wir erwarten, dass es lange dauern wird bis die Situation im Anleihemarkt abklingt, erwarten aber nicht, dass die Zuflüsse in Anleihen zunehmen, die als sicherer Hafen gesehen werden, denn vieles ist bereits eingepreist.
  • Hartwährungs-Staatsanleihen aus Schwellenländern: Russische Staatsanleihen sind nicht direkt betroffen von den Sanktionen, da sie bspw. nicht auf der neuen US-Sanktionsliste stehen. Das Schuldenprofil bleibt eines der stärksten in den Schwellenländern. Den größten Einfluss hat momentan die sich verschlechternde Stimmung.
  • Unternehmensanleihen: Wir bleiben positiv für Unternehmensanleihen aus Industrieländern, beobachten aber die Entwicklungen um potentielle neue Sanktionen sehr genau bzgl. Unternehmensanleihen aus Schwellenländern. Russische Unternehmensanleihen sollten mittelfristig hauptsächlich basierend auf der gefühlten Wahrscheinlichkeit der Einführung härterer Sanktionen handeln (besonders valide für die Indexmitglieder des Corporate Emerging Market Bond Index CEMBI). Mittelfristig werden deshalb Gewinne russischer Unternehmen weniger relevant sein als normalerweise Sowohl ausgehend vom Ukraine-Russland-Konflikt als auch von den Ereignissen im Nahen Osten sehen wir bisher keine signifikante Ausbreitung auf andere Schwellenländer-Unternehmen.
  • Aktien: Bisher hat sich der amerikanische Dow Jones Industrial Average von den Sanktionen gegen Russland unbeeindruckt gezeigt. Wir erwarten, dass die Aktienmärkte eher auf eine Reihe von Ereignissen als auf einzelne reagieren, aber tendenziell steigt die Volatilität bei niedrigen Volumen im Sommer. Größte Sorge stellen die Auswirkungen auf die europäischen Gewinne dar. In Bezug auf die Situation im Nahen Osten beobachten wir höhere Volatilität in der Region, sehen aber keinen Effekt auf die globalen Märkte.

 

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