Positiv beurteilt Wilhelm die Maßnahmen zu Lösung der Eurostaatenkrise: „Die EZB treibt die Rettung voran, auch wenn dies nicht ihrem Ursprungsauftrag entspricht.“ Mit ihren Interventionen habe sie für deutliche Entspannung an den Kapitalmärkten gesorgt und der Politik den nötigen Spielraum verschafft, einen belastbaren Rettungsmechanismus aufzubauen. Jetzt müsse man den klaren Willen zeigen, die eigentliche Ursache, nämlich die Konstruktionsfehler der Eurozone, zu beheben und eine echte Wirtschafts- und Fiskalunion zu institutionalisieren. „Das braucht allerdings noch einige Jahre, und die größte Gefahr ist, dass der Reformwille erlahmt, sobald der Finanzmarktstress nachlässt“, so Wilhelm. Dass die Regierungen der Peripherieländer ihren Beitrag zur Lösung der Krise leisten, steht für ihn außer Frage. Vor allem Irland sei ein positives Beispiel für die fortschreitende Restrukturierung. Allerdings seien die Rahmenbedingungen dort auch deutlich besser als in den anderen Krisenländern.
Kurzfristig keine Inflationsgefahr
Neben der Euroschuldenkrise sieht Wilhelm im Abbau der globalen Ungleichgewichte die größten Belastungen für die Weltwirtschaft: „Wir bleiben für die nächsten Jahre bei einem schwachen und anfälligen Wachstumspfad von 3 bis 3,5 Prozent in der Welt.“ Wachstumsimpulse kämen aus China, wo Zuwachsraten von über 8 Prozent zu erwarten seien. Für die USA rechnet er mit 2,2 Prozent. Die Eurozone werde sich bei etwa 0,2 Prozent Wachstum stabilisieren. „Das heißt auch, dass es kurzfristig keine Gefahr steigender Inflationsraten gibt und die Notenbanken genug Raum haben, mit ihrer Niedrigzinspolitik fortzufahren.“ Die Sorge, dass die Inflation wegen der Krisenbekämpfung insbesondere in der Eurozone steigt, hält er für unbegründet. Die EZB habe den Banken zwar viel Liquidität zur Verfügung gestellt, diese sei in er realen Wirtschaft aber nicht angekommen. Ab Jahresbeginn 2013 hätten die Banken sogar erstmals wieder die Möglichkeit, Liquiditätsspritzen zurückzugeben, und in den Kerneuroländern sei damit auch zu rechnen. „Dann wird auch die Angst vor überschüssigem Geld langsam wieder zurückgehen“, so der Anlagestratege.
Zinsen bleiben vorerst niedrig
Angesichts dieser Rahmenbedingungen rechnet Wilhelm mit keinem schnellen Ende der Niedrigzinsphase: „Anleger müssen auch in den nächsten zwei Jahren mit historisch niedrigen Zinsen für sichere Anleihen rechnen.“ Das hohe Sicherheitsbedürfnis vieler Investoren verstärke diesen Trend. „Hier hat sich seit 2008 eine Schieflage aufgebaut. Alles, was als sicher gilt, ist inzwischen extrem teuer“, sagt der Vorstand. Das sei vor allem deshalb ein Risiko, weil die Renditen sicherer Anlagen deutlich unter der aktuellen Inflationsrate liegen. „Unter dem Strich bleibt ein realer Verlust, und das wird auch langsam den Anlegern bewusst“, so Wilhelm. Die „große Umschichtung“ in chancenreichere Investments könnte nach seiner Einschätzung schon 2013 beginnen: „Dann machen vor allem Aktien nochmals einen Satz nach oben.“
Emerging Markets sind Anlagethema 2013
Den Aktienmärkten schreibt Wilhelm für 2013 das größte Potenzial zu: „Sieben bis zehn Prozent Kurszuwachs sind durchaus drin.“ Er erwartet ein weiterhin gutes Gewinnwachstum bei Unternehmen von im Durchschnitt fünf bis sechs Prozent. Zudem sei die Bewertung derzeit sehr niedrig. „Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei zehn für deutsche und europäische Aktien, weltweit bei zwölf. Vor der Krise lag dieser Wert bei 15 bis 16. Da ist also noch Luft nach oben“, so Wilhelms Prognose. Auch die solide Verfassung der Unternehmen, die historisch niedrige Verschuldungsquote und die hohen Kassenbestände führt er als Argumente für die Aktie an: „Den Unternehmen geht es so gut wie lange nicht. Davon können Anleger über die insgesamt hohen Dividendenausschüttungen profitieren, aber auch über die Kursphantasie, die in vielen Aktien steckt.“ Als Favoriten auf der Aktienseite nennt Wilhelm die Schwellenländer. Hier sei das Kurspotenzial insgesamt höher, weil die Wachstumsaussichten in diesen Ländern deutlich besser seien als in der entwickelten Welt. Auch aus China rechnet er mit positiven Impulsen. Deswegen sind Staats- und Unternehmensanleihen der Emerging Markets nach seiner Ansicht eine wichtige Beimischung in der Anlagestrategie: „Bei niedriger Verschuldung und guten Ratings wird hier noch eine vergleichsweise hohe Rendite gezahlt.“
Immobilien als Stabilitätsanker im Depot
Wichtig ist jedoch auch, stabilisierende Bausteine in die Anlagestrategie aufzunehmen. Hierfür empfiehlt Wilhelm Investments in Offene Immobilienfonds, weil sie dem Anleger eine vergleichsweise konstante und hohe Rendite böten: „Über die stabilen Mieten, die geringen Wertschwankungen und die günstige Korrelation zu anderen Anlageklassen bringen Immobilien Stabilität und gleichzeitig gute Diversifikationseffekte fürs Gesamtportfolio.“ Auch an der Attraktivität der Immobilienanlage würde sich angesichts der weiter hohen Nachfrage nach guten Objekten in zentraler Lage im Jahr 2013 nichts ändern.