Sie waren nur offenbar nicht ganz so dreist wie die Wolfsburger, sondern bewegten sich noch innerhalb einer großen Grauzone. Wirklich überraschen kann das Ergebnis der Nachmessungen kaum. Denn wer die Augen vor der Realität nicht verschlossen hat, dem ist seit langem klar, dass zwischen den Werten auf dem Prüfstand und denen im Alltagsgebrauch Welten liegen.
Eigentlich ist es die erste Lektion eines jeden Autofahrers, wenn es um den Spritverbrauch geht: Die »Normwerte« sind im Realbetrieb normalerweise nicht zu erreichen. Und weil Kraftstoffverbrauch und Schadstoffausstoß schon für sich genommen miteinander korrelieren, sind höhere Abgaswerte nur die logische Konsequenz. Doch die Hersteller haben es nicht dabei belassen, fern jeglicher Realität Reifen stärker aufzupumpen, die Klimaanlage abzuklemmen oder Kanten und Luftöffnungen für eine bessere Aerodynamik abzukleben.
Sie haben auch aktiv die Möglichkeiten genutzt, die ihnen die Behörden und die Gesetzgeber in der EU gewährt haben: Unter dem Deckmantel des Motorenschutzes wurde ihnen mit Ausnahmemöglichkeiten Tor und Tür geöffnet – die Autobauer mussten nur noch hindurchgehen. Bei der Frage nach Schuld und Verantwortung rücken deshalb in erster Linie die Politik und die Behörden in den Blickpunkt. Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene ist von ihnen viel zu lange nicht genau hingeschaut oder offenbar allzu gerne auch einfach weggesehen worden. Das war in Deutschland so – dem Land, das wie kein zweites an der Autoindustrie hängt. Aber auch bei den europäischen Nachbarn ist es kaum anders gewesen. Strafbar war das Vorgehen der Autobauer offenbar nicht, maximal moralisch verwerflich. Denn so wird seit Jahren Tag für Tag mehr gesundheitsgefährdendes und umweltschädliches Stickoxid in die Luft gepustet als es technisch nötig wäre.
Noch unerträglicher wird dies, da es mit einfachen und günstigen Mitteln anders geht, wie die angekündigten Servicemaßnahmen des VW-Konzerns oder auch von Mercedes zeigen: Vielfach soll ein Software-Update der Motorsteuerung ausreichen, um die Luftverschmutzung spürbar zu reduzieren. Diese Verbesserung wäre längst möglich gewesen. Wenn der VW-Skandal etwas Gutes hat, dann eben jenes: Er hat ins Rollen gebracht, was jahrelang versäumt worden ist. Er hat ans Licht gebracht, was im Halbdunkeln lag. Was bleibt, ist die große gemeinsame Aufgabe für Politik, Behörden und Hersteller, es künftig jeder für sich besser zu machen. Es geht um Vertrauen, um Transparenz – und nicht zuletzt um das Image und den wirtschaftlichen Erfolg vor allem auch der deutschen Autobauer.