Frau Rode, als Koryphäe im Bereich der Arbeitskraftabsicherung bei ASCORE Analyse, welche Rolle spielt die Berufsunfähigkeitsversicherung innerhalb des Konzeptes der Einkommenssicherung?
NICOLE RODE: Die Berufsunfähigkeit ist ein essenzielles Instrument zur Absicherung des Einkommens, man könnte auch sagen, dass sie die zentrale Säule der Einkommenssicherung ist. Die staatliche Erwerbsminderungsrente reicht oft nicht aus, um den Lebensstandard zu sichern. Die BU-Versicherung füllt diese Lücke und bietet eine zusätzliche Sicherheitsschicht. Versicherer werden verstärkt versuchen, jüngere Menschen und bislang unterversorgte Bevölkerungsgruppen anzusprechen. Dies geht auch aus unserer Analyse hervor. Das Eintrittsalter für die BU Versicherung ist in den letzten Jahren deutlich gesunken, was hingegen auch die Flexibilität des Produktes steigert, da ein Mensch mit sechs oder zehn Jahren in der Regel noch nicht weiß, wo der berufliche Werdegang hinführt.
Und trotzdem hat die Berufsunfähigkeit nach aktuellen statistischen Auswertungen nur eine Marktdurchdringung von gut 25 Prozent. Woran liegt das?
NICOLE RODE: Meistens herrschen ein unzureichendes Bewusstsein und Verständnis für das Produkt. Viele Menschen sind sich der Risiken einer Berufsunfähigkeit und der Bedeutung einer BU-Versicherung nicht ausreichend bewusst oder unterschätzen beziehungsweise verdrängen das Risiko schlichtweg. Und dabei wird nach aktuellen Studien jeder Vierte im Laufe seines Berufslebens berufsunfähig. Häufigste Ursache laut GDV sind hierbei psychische Erkrankungen. Weiterhin ist hier noch der Kostenfaktor zu nennen. Die Beiträge für eine BU-Versicherung können hoch sein, insbesondere für Personen in Berufen mit höherem Risiko oder für ältere Menschen.
Jüngst haben Sie Ihr Scoring im Bereich der Einkommenssicherung gänzlich überarbeitet. Was waren Ihre Beweggründe hierfür?
NICOLE RODE: Die Tarife der Einkommenssicherung sind oft komplex und schwer verständlich. Viele Menschen finden es schwierig, die verschiedenen Bedingungen, Ausschlüsse und Optionen zu durchschauen, was zu Unsicherheit und Zögern beim Abschluss führt. Eine umfassende und kompetente Beratung ist entscheidend, um das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer
BU-Versicherung zu schaffen und individuelle Lösungen zu finden. Oft fehlt es jedoch an qualifizierter Beratung oder die Beratung ist nicht ausreichend auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten. Das war genau unser Ansatzpunkt. Wir wollen unseren Nutzern ein Werkzeug in die Hand geben, um die Kunden bestmöglich zu beraten und das ohne einen hohen Zeitfaktor in der Vorbereitung. Deswegen haben wir große Veränderungen im Rating vorgenommen.
Als Rating- und Analysehaus bewerten und analysieren Sie die verschiedensten Tarife am Markt. Welche Kriterien sind dabei für den Verbraucher besonders wichtig? Worauf gilt es zu achten?
NICOLE RODE: Das Wichtigste zuerst: Es kommt immer auf die individuellen Bedürfnisse des Verbrauchers an, diese sollten von dem Vermittler richtig und konkret ermittelt werden. Nur so hat der Kunde über die lange Vertragslaufzeit ein gutes und sicheres Gefühl und man vermeidet Stornofälle. Die wesentlichen Unterschiede beginnen bereits schon bei der Gesundheitsprüfung. Bereits hier stellen einige Versicherer sehr strenge Gesundheitsfragen, die dann aber auch meist zu einem gesunden Bestand führen. Wenn der Kunde bereits kleinere Vorerkrankungen hat, können kürzere Abfragezeiträume natürlich von Vorteil sein. Unverzichtbar sind auch Erhöhungsoptionen wie Nachversicherungsgarantien oder Karriereklauseln. Die Möglichkeit, die Versicherungssumme ohne erneute Gesundheitsprüfung anpassen zu können, ist wichtig. Besondere Unterschiede weisen hier die jeweiligen Höchstalter auf, bis wann man diese Erhöhungsoption ziehen kann.
Welche Trends und Entwicklungen beobachten Sie aktuell am Markt? Und was erwarten Sie für die Zukunft?
NICOLE RODE: Aktuell beobachten wir mehrere Trends und Entwicklungen im Markt für die Einkommenssicherung. Diese Entwicklungen spiegeln sich in den Produkten, Dienstleistungen und dem Verhalten der Verbraucher wider. Dies betrifft die Versicherer an sich, die die Digitalisierung durch Onlinestrecken weiter vorantreiben und auch auf Technologieintegration zur Datenanalyse, unterstützt durch KI, setzen, um Risikobewertungen zu verbessern. Bei den Produkten ist ersichtlich, dass es einen Trend zu flexibleren Tarifen gibt, die an individuelle Bedürfnisse und Lebenssituationen angepasst werden können. Versicherer bieten vermehrt optionale Zusatzbausteine an, die über den klassischen BU-Schutz hinausgehen wie zum Beispiel eine Absicherung bei längerer Arbeitsunfähigkeit oder spezielle Rehabilitationsmaßnahmen. Zudem wird mehr Wert auf transparente und verständliche Produktinformationen gelegt, um das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen.
Vielen Dank für das Gespräch.