Sachwerte / Immobilien

Widerrufsjoker widerrufen

Am 1. Dezember entscheidet der BGH über den so genannten Widerrufsjoker. Das war der Advokate-Kniff des Jahres. Weil es in Widerrufsbelehrungen Formulierungen gab, die nicht ganz dem gesetzlich vorgegebenen Muster entsprachen, konnten sie für unwirksam erklärt werden mit dem Effekt, dass sich die darin formulierte Frist für einen Widerruf ad libitum ausdehnen ließ, zum Beispiel so lange bis man einen Anlass hatte, diesen Trumpf in der Hinterhand auszuspielen,

etwa wenn sich eine Fondsbeteiligung dann doch nicht so entwickelte wie erhofft. Widerrufsjoker nannten diese Möglichkeit nicht von ungefähr selbst die Rechtsanwälte, die sich dieses Tricks bedienten. Die Verbraucherzentrale Hamburg stellte fest, dass mehr als 80 Prozent aller Widerrufsbelehrungen falsch seien.

Unabhängig vom bevorstehenden BGH-Urteil ist ein Gesetz in Arbeit, den Widerrufsjoker zu entkräften. Das finde ich richtig. Nicht, dass ich mich gegen die Wahrung von Verbraucherrechten sträuben würde. Was mich am Widerrufsjoker stört ist, dass es sich bei der Feststellung von Abweichungen zu gesetzlichen Muster und selbst bei Feststellung der Unzulänglichkeit dessen um sachfremde Formalien handelt. Ein Beispiel: „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, heißt es in der gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung aus dem Jahr 2002. Das kann – und darauf basieren dann Jahre später geltend gemachte Widerrufe – so gelesen werden, dass weitere Bedingungen erfüllt sein müssen, bevor die Frist beginnt, ohne dass diese weiteren Bedingungen explizit benannt würden.

Der Sinn der Widerrufsbelehrung besteht doch darin, etwaige negative Einflüsse im Moment der Vertragsunterzeichnung ausschließen zu können. Kein Verbraucher soll sich gegen seinen Willen zu etwas überredet fühlen, was er nicht möchte, manchem steht auch erst hinter der überschrittenen Schwelle vor Augen, dass er eine Entscheidung gewisser Tragweite gefällt hat. Das ist alles menschlich und verständlich, und es ist wichtig, dass es Mechanismen gibt, eine Entscheidung umstandslos und zeitnah rückgängig zu machen. Wer aber jahrelang zum Beispiel einen Immobilienkredit bedient, den er inzwischen günstiger haben könnte, der ist bei Vertragsschluss nicht gegen seinen eigentlichen Willen zu etwas verführt worden, was er damals gar nicht haben wollte.

Es geht um die Mündigkeit des Verbrauchers. Die wird der galoppierenden Inflation anheim gestellt, wenn ihm weis gemacht wird, dass es eine bösartige Lobbygruppe ist, die vorsätzlich fehlerhafte Verträge aufgesetzt habe. Den Widerrufsjoker zu zücken, ist ein Taschenspielertrick, der den Verbraucher entmündigt anstatt ihn zu seinem Recht zu verhelfen.

Tilman Welther

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