Prognosen kommt bei einer Investitionsentscheidung oftmals eine wichtige Rolle zu. Wie lange kann die Liquidität angelegt werden? Welche Rendite darf ich erwarten? Welche Märkte bieten überhaupt Renditen, die ich als Investor erwarte und bei welchem Risiko? All dies sind beispielhafte Fragen, die sich Investoren häufig stellen.
Während offene Fonds bei der Frage nach erwartbaren Renditen meist rein auf die Vergangenheit verweisen, werden bei der Emission von geschlossenen Fonds in Form eines Alternativen Investmentfonds (AIF) dezidierte Prognosen für mehrere Szenarien mit unterschiedlichen Werten für externe Parameter, teils über mehr als eine Dekade, vorgenommen und exakt quantifiziert.
Ein kurzer Blick auf die jüngste Vergangenheit zeigt dabei, wie schwierig es ist, einen Blick in die Zukunft zu werfen. Vor fünf Jahren, also 2019, hätte bei einer Umfrage unter institutionellen Investoren weder das Risiko einer globalen Pandemie mit gravierenden Störungen der Lieferketten noch ein Krieg auf europäischem Raum ganz oben auf der Liste der Risiken gestanden. Stattdessen waren Extremwetter, Klimarisiken und Naturkatastrophen die Top-3-Risiken beim World Economic Forum im Januar 2020.
Jetzt kann man natürlich eine Pandemie oder die Energiepreiskrise als „Schwarze Schwäne“ bewerten, also als unprognostizierbare singuläre Ereignisse, die in einer Basisprognose nicht enthalten sein können. Sollte man damit den Mehrwert einer Prognose insgesamt hinterfragen? Während detaillierte Prognoserechnungen in der Beteiligungsbranche Standard waren, zeigten sich die Emissionshäuser positiv überrascht, dass die Regulierung nach dem KAGB im Jahr 2013 diese nicht mehr vorsah! Der zuvor meist im Prospekt enthaltene Warnhinweis „Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für die Wertentwicklung in der Zukunft. Die Eintrittswahrscheinlichkeit der Prognose nimmt mit fortschreitendem Zeitverlauf ab“ verdeutlicht die tatsächliche Erwartung an diese Prognosen. Mal wurden die Ergebnisse übertroffen, zu oft leider unterboten, fast nie als Punktlandung erreicht. Egal, in welchem Segment man sich bewegte, die Validität der Annahmen hatte immer eine, meist mehrere Schwachstellen. Bei Windkraftfonds wurden beispielsweise Winderwartungsgutachten zugrunde gelegt, die sich im Verlauf als unzutreffend herausstellten.
Nehmen wir als Vergleichsbeispiel für den Wert einer Prognose einen jungen Menschen, der zum ersten Mal von Hannover nach Grünheide mit dem Auto fahren will und zu einem bestimmten Zeitpunkt ankommen möchte. Beispielsweise für ein Vorstellungsgespräch bei Tesla. Hilft es dieser Person, wenn Google Maps prognostiziert, dass die Fahrt drei Stunden und 33 Minuten dauern soll? Natürlich! Kann er sich darauf verlassen, dass es nicht vielleicht auch vier Stunden werden? Natürlich nicht!
Wir können damit als Zwischenfazit festhalten, dass im täglichen Leben Prognosen durchaus hilfreich sind und auch Abweichungen von der Prognose erwartet oder eingeplant werden.
Genauso sollten auch Prognosen aus Sicht eines Investors bewertet werden. Trotz klarer Parameter und der dank auch Künstlicher Intelligenz (KI) nutzbaren großen Datenmengen bleibt auch eine sehr genau ausformulierte Prognose nur ein Anhaltspunkt für die künftige Entwicklung. Zudem gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Werte, die für Prognosen genutzt werden können. Eine Studie über die Transparenz in den Prognoseberichten der Jahresabschlüsse der DAX-Konzerne kam zu dem Ergebnis, dass allein für das Merkmal „erwarteter Gewinn“ unterschiedlichste Werte wie „Jahresüberschuss“, „Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit)“, „Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda)“ oder „Rendite vor Steuern und Zinsen“ gewählt wurden. Ein direkter Vergleich ist damit nur eingeschränkt möglich.
Trotz dieser Herausforderungen sind Prognosen unserer Meinung nach sinnvoll und ermöglichen es Anlegern, die eigene Erwartungshaltung mit dem Szenario eines Unternehmens oder eines Emissionshauses zu vergleichen. Der Blick in die Details der zugrundeliegenden Parameter ist dabei unverzichtbar. Nur dann wird – auch im Vergleich unterschiedlicher Angebote – erkennbar, welche Puffer eingeplant wurden. So ist die Frage, wie hoch Fremdkapital genutzt wird und ob dieses in Form eines Annuitätendarlehens planmäßig während der Laufzeit getilgt wird oder nur reine Zinsleistungen berücksichtigt wurden, grundlegend für die Beurteilung einer Auszahlungsprognose. Auch die künftige Erwartung an die Inflationsrate und damit einhergehende Ertragsveränderungen wirken sich deutlich aus.
Es ist wichtig, diese Parameter eines angebotenen Produktes zu hinterfragen. Diese findet man bei geschlossenen AIFs in den Anlagebedingungen, in denen dezidiert festgehalten wird, wie der Initiator seine Investitionen plant. Da es sich in der Breite der Angebote zunächst um Blindpools handelt, sollte man zudem die Erfahrungen des Initiators im jeweiligen Segment berücksichtigen, seine Leistungs-Performance- Bilanz hinterfragen und kritisch prüfen, ob die vorhandenen Informationen plausibel sind. Dafür bedarf es nicht zwingend tiefgreifender Fachexpertise, sondern oft reicht der gesunde kritische Menschenverstand. Ein qualifizierter Berater und Gespräche mit dem Freundes- und Bekanntenkreis über gemachte Erfahrungen können zusätzliche Erkenntnisse liefern.
Im Segment der Immobilien sind vielfältige Parameter (u. a. Standort Mikro- und Makrolage, Immobilienqualität, Revitalisierung, Entwicklung der Mieteinnahmen, Mieterstruktur und -bonität, Mietvertragslaufzeiten, Finanzierungssituation, Verlauf der prognostizierten Bewirtschaftungsoder Instandhaltungsaufwendungen) so vielschichtig, dass kleine Abweichungen von den prognostizierten Werten massive Auswirkungen auf die Prognose haben.
„Prognosen sind so unsicher, weil sie die Zukunft abbilden.“ So ähnlich lautet ein bekanntes Bonmot, und es behält auch bei aller Detailliertheit der heutigen Szenarien seine Richtigkeit. Anleger und Berater, die sich der Details der Prognosegrundlagen bewusst sind, erhalten durch Prognosen und Szenarioanalysen einen deutlichen Zusatznutzen gegenüber einem Investment, wo sich das Management nicht zu einem Blick in die Zukunft durchringen kann.
JENS FREUDENBERG UND DR. MICHAEL KÖNIG