Nicht wenige Investoren dürften sich zu sehr mit der Idee der ewig sinkenden und extrem tiefen Zinsniveaus angefreundet haben. Dann könnte der jüngste Anstieg der zehnjährigen amerikanischen Anleihenrenditen um einen Prozentpunkt auf 2.6 Prozent wie ein Schock gewirkt haben, der daran erinnert, dass die Höhe der Umlaufrenditen von Anleihen unter normalen, interventionsfreien Bedingungen von den Faktoren Wirtschaftswachstum, Inflationserwartung und Ausfallrisiko bestimmt werden würde. Sollten sich die optimistischen Konjunkturprognosen der Fed, wie von einigen mittelfristigen Marktindikatoren suggeriert wird, tatsächlich bewahrheiten, dann dürfte der jüngste Renditeanstieg auf mittlere Sicht kein Problem darstellen. Grössere geldpolitische Wenden fanden zuletzt in den Jahren 1994 und 2004 statt. Auch diese lösten anfangs temporäre Turbulenzen aus, gefolgt von starken, mehrjährigen Aktienhaussen.
Andererseits gibt es auch Anzeichen dafür, dass der von dieser «Entzugsangst» getriebene Renditenanstieg zumindest temporär zu weit gegangen ist. Die tatsächlichen und erwarteten Inflationsraten befinden sich seit Monaten auf dem Rückzug und US-Notenbank-Chef Ben Bernanke hat mehrfach klargestellt, dass der Ausstieg im Falle einer enttäuschenden Konjunkturentwicklung verschoben werde. Technische Indikatoren suggerieren zudem, dass US-Anleihen jetzt «überverkauft» und somit bereit für eine Gegenbewegung sind. Wir haben daher beschlossen, den Anteil langfristiger US-Anleihen in unseren Strategien zu erhöhen.
Entzugserscheinungen am Markt oder normale Korrektur?
Ende Mai haben einige Investoren offenbar begonnen, den möglichen Rückzug der US-Notenbank Fed aus der geldpolitischen Lockerung als eine «beschlossene Sache» anzusehen. So sind die Renditen langfristiger Anleihen seitdem deutlich gestiegen, während zinssensitive Anlagen wie Aktien zum Teil stark korrigiert haben. Wir halten allerdings an unserem Aktienübergewicht fest, da wir davon ausgehen, dass es sich an den Aktienmärkten um eine «normale Korrektur» handelt, während wir es im Bereich der langfristigen Anleihenrenditen möglicherweise mit einer einsetzenden Normalisierung zu tun haben.