Sachwerte / Immobilien

DIE ANGST VOR DEM R-WORT

  Der Internationale Währungsfonds hält eine Rezession innerhalb der Eurozone für nicht unwahrscheinlich. Die Bundesrepublik wird immer öfter für ihre Sparpolitik kritisiert. Die Europäische Zentralbank kauft zukünftig neben Pfandbriefen („Covered Bonds“) auch Kreditverbriefungen.

Dem milden Frühling folgt ein ungemütlicher Herbst. Während der Internationale Währungsfonds, IWF, auf seiner Frühlingstagung Europa noch als Vorbild bezeichnete, findet Christine Largarde, Präsidentin des IWF, für Europa auf der Herbsttagung neue Worte. Die Wachstumslokomotive Deutschland und Europa sind auf einmal Risiken für das weltweite Wachstum. Eine Lehre aus der Finanzkrise: Die wirtschaftlichen Zyklen werden immer kürzer. Laut dem IWF könnte Europa eine Rezession drohen.  

Als „primus inter pares“ fällt Deutschland eine besondere Rolle im Wirtschafts- und Politikgefüge der europäischen Staaten zu. Größte Volkswirtschaft, höchste Einwohnerzahl, stärkste wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre – es gab wenig zu kritisieren: Die Ernte aus den Arbeitsmarktreformen hat die Bundesrepublik glimpflich durch die Finanzkrise gebracht. Während die Arbeitslosenzahlen in Griechenland, Spanien, Italien, Portugal und Frankreich auf Rekordhöhen stiegen, suchten in Deutschland so wenige Leute wie seit zwei Jahrzehnten einen Job. Während die Kanzlerin im Ausland auf Strukturreformen pocht, hat man hierzulande derzeit darauf verzichtet. Der Druck auf die Bundesregierung wird größer, endlich etwas für die europäische Wirtschaft zu tun. Deutschland soll mit mehr öffentlichen Investitionen die Konjunktur ankurbeln und den Sparkurs lockern.  Frankreich möchte in den nächsten drei Jahren 50 Mrd. EUR sparen – diese Summe könnte Deutschland nach Meinung der Franzosen mit Investitionen doch einfach ausgleichen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Eurozone erneut in die Rezession rutscht, hält der IWF für nicht unerheblich. Die Möglichkeit eines Rückfalls der Eurozone schätzt er auf 40 %. Der Währungsfonds schraubte seine Erwartungen an das Wachstum in der Eurozone für dieses Jahr um 0,3 Prozentpunkte auf 0,8 Prozent zurück. Auch für Deutschland korrigierte der IWF die Wachstumserwartung für dieses Jahr sogar um 0,5 Prozentpunkte auf 1,4 Prozent nach unten. Eine Rezession ist definiert durch zwei aufeinander folgende Quartale mit Minuswachstum. Von dieser bleibt Deutschland wohl verschont, es droht eher ein Miniwachstum. Es geht nicht mehr, wie zu Zeiten der Eurokrise, um die hohe Staatsverschulung. Dieses Mal sind es die Konjunktur und nach Meinung vieler Experten eine drohende Deflation.  

Die ordentlichen geldpolitischen Maßnahmen der EZB (wie das Drehen am Leitzins) greifen in Madrid, Florenz oder Friedrichsdorf gleichermaßen – ohne Rücksicht auf die individuelle wirtschaftliche Verfassung in dem jeweiligen Euroland. Die Notenbank (wie die EU-Kommission) kann den Mitgliedsstaaten nicht vorschreiben, wie sie ihre Volkswirtschaften organisieren sollen. Der Ball liegt schon lange im Feld der Politik. Im Kern sind sich die Länder einig: Strukturreformen sind wichtiger als Blankoschecks. Draghi gibt daneben auch den gutgemeinten Ratschlag, die Fiskalpolitik nicht zu vergessen, aber bitteschön ohne Aufweichung des Stabilitätspakts. Wegen der angespannten Haushaltslage in vielen Mitgliedsländern, fehlen den Finanzministern allerdings schlicht die Mittel, um direkt die Wirtschaft anzukurbeln. Freilich haben „Reforming Countries“ wie Irland, Portugal aber auch der große Nachbar Spanien enorme Fortschritte gemacht. Es sind auch nicht mehr diese Länder, die im Fokus stehen. Im aktuellen Akt werden die Hauptrollen an Länder wie Deutschland, Frankreich oder Italien vergeben. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, Frankreich, kämpft mit einer Rekordarbeitslosigkeit von über 10% und einem Haushalt, der weit davon entfernt ist, ausgeglichen zu sein. Das Land rettete sich über die letzten Jahre hauptsächlich mit einer hohen Staatsquote (diese liegt über die letzten zehn Jahre konstant über 50 %) in die wirtschaftliche Stagnation. Das Top-Rating wurde der so stolzen „Grande Nation“ schon entzogen.  

Die 1.000.000.000.000 EUR-Frage
Die Europäische Zentralbank hofft, mit neuen Sonderprogrammen die Kreditvergabe anzukurbeln, um den Konjunkturmotor am laufen zu halten – trotzdem sinkt die Inflation im Euroraum weiter. Die Wachstumsimpulse bleiben derzeit noch aus. Die Banken werden mit Notenbankgeld so sehr umgarnt, dass sie es an die EZB teilweise wieder dankend zurückgeben. Die Situation gleicht einem Schwamm, der kein Wasser mehr aufnimmt. Dabei ist die Ankündigung von Mario Draghi vom Sommer 2012, die EZB werde notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenländern kaufen, noch nicht rechtlich legitimiert. Derzeit sitzt die EZB auf der Anklagebank des Europäischen Gerichtshofs. Der Vorwurf: Mandatsüberschreitung. Dabei wird sie nicht müde darauf hinzuweisen, dass Staatsanleihenkäufe an sich ein neutrales Instrument sind. Sie können der Wirtschaftspolitik dienen. Sie können der Geldpolitik dienen und den Transmissionsprozess sicherstellen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Intention für Käufe von Staatsanleihen die Ausweitung der Geldmenge ist.  

Das Bundesverfassungsgericht hat sich bisher kein Urteil zugetraut und bei den Kollegen in Luxemburg um Klärung mit der Bitte um Rücküberweisung zum finalen Urteil gebeten. Bis dahin vergeht wohl noch mindestens ein Jahr und die Notenpresse kann erst einmal weiter laufen. Dabei hat derweil schon Draghis zweiter Coup begonnen. Dieses Mal will er die europäische Konjunktur retten. Theoretisch sind Käufe von bis zu 1 Billion Euro möglich; ob die Obergrenze ausgenutzt wird ist unwahrscheinlich, aber möglich. Über mindestens zwei Jahre hinweg möchte er als Käufer am Markt auftreten. Die EZB kauft bereits seit Oktober Pfandbriefe („Covered Bonds“), dazu kommen jetzt noch forderungsbesicherte Wertpapiere (Asset Backed Securities, ABS). Die Papiere aus Europa waren bisher nicht so kritisch gewesen wie ihre entsprechenden Pendants aus den USA. In Kreditverbriefungen bündeln Banken Kredite aus ihren Bilanzen. Der Wunsch: Idealerweise haben sie dann Mittel frei, um neue Darlehen zu vergeben. Vorschreiben kann ihnen das allerdings keiner. Kredite für Häuser (die wenigsten davon aus Deutschland), Maschinen oder Autos – alles wird verpackt. Die EZB vergibt Beratungsmandate an Banken (unter strenger Trennung des übrigen Geschäfts) um die Bilanzen der Banken aufzuräumen, weil die eigene Institution so kurzfristig wohl nicht einsatzfähig ist. Gerade für die Analyse des nicht gerade als transparent geltenden ABS-Marktes ist Kompetenz notwendig, die die Zentralbank nicht hat.  

Die Erfolgsaussichten sind schwer einzuschätzen, weil gerade die Länder, die von einer Kreditklemme betroffen sind, wegen der stotternden Konjunktur kaum Darlehen nachfragen. Fällt mit dem Kaufprogramm allerdings das Zinsniveau weiter, dürfte die Nachfrage nach Krediten steigen. Mit dem Kauf der Papiere geht das Ausfallrisiko aus den gekauften Tranchen auf die Bilanz der Europäischen Zentralbank über, mit allen Konsequenzen. Warum ist das so interessant? Die EZB gehört den nationalen Notenbanken, die bisher noch regelmäßig ihre Überschüsse an die nationalen Haushalte abgeben. Allerdings: Würde die EZB nichts unternehmen, könnte langfristig ein weitaus größerer Schaden drohen.

 

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