"Wie beurteilen Sie das deutsche Sondervermögen der neuen Bundesregierung in Bezug auf die Anleihenmärkte?"
Das gigantische „Schuldenpaket“ – von der Politik schmeichelhaft Sondervermögen genannt – sorgte für heftige Reaktionen an den europäischen Finanzmärkten. Die Zinsen der zehnjährigen deutschen Staatsanleihen schossen innerhalb von 3 Tagen um 0,5 % in die Höhe – ein solcher Zins-Schock wurde seit über 30 Jahren nicht mehr gesehen. Die Bauzinsen reagierten analog: Jeder Immobilienkäufer hat damit rund 15 % höhere Zinskosten als noch Tage vorher zu tragen.
Im Mittelpunkt steht nun die Frage nach der weiteren Zinsentwicklung. Kurzfristig ist eine Beruhigung der Anleihemärkte wahrscheinlich, wodurch ein leichter Rückgang der Zinsen möglich erscheint. Denn die geplanten Ausgaben werden nicht kurzfristig realisiert, sondern über einen Zeitraum von etwa 15 Jahren gestreckt. Infrastrukturprojekte wie der Bau neuer Brücken erfordern allein mehrere Jahre für Planung und Genehmigung, bevor überhaupt mit der Umsetzung begonnen werden kann. Auch bei militärischen Großprojekten – etwa Kampfflugzeugen oder Schiffen – ist mit Entwicklungs- und Auslieferungszeiträumen von mehr als einem Jahrzehnt zu rechnen.
Über den langen Zeitraum gestreckt werden somit die zusätzlichen Schulden zwar ein Mehrangebot von Staatsanleihen bedeuten, aber diese könnten vom Kapitalmarkt ohne große Probleme aufgenommen werden. Dies erst recht vor dem Hintergrund, dass einige Anleger durch die erratischen US-Politik von dem Kauf von US-Staatsanleihen abgeschreckt werden könnten. Eine Verschiebung der Anlagegelder in Richtung Europa und Deutschland ist dann nicht auszuschließen.