Opinion Leader

Sebastian Hesse

MFS Investment Management Company (LUX) S.a.r.l., Director - Germany

"Wie stehen Sie zu Ihrer Investition in deutschen Immobilienaktien im MFS Prudent Capital?"

Das letzte Jahr war eine Enttäuschung – für uns, vor allem aber für unsere Investoren. Unser Ziel ist, grob gesagt, in guten Zeiten zu einem guten Stück am Aufschwung zu partizipieren und in schlechten Zeiten Verluste zu minimieren. Maßgeblich für die Enttäuschung war vor allem unsere Position in deutschen Immobilien. Wir waren uns des Risikos höherer Zinsen durchaus bewusst. Wir wussten, dass enorme fiskal- und geldpolitische Wachstumsprogramme zusammen mit erheblichen Störungen der Lieferketten (durch COVID und den Ukrainekrieg) vermutlich zu Inflationsdruck führen würden. Was uns aber überrascht hat, war, dass sich die langfristigen Inflationserwartungen kaum verändert haben. Wir waren lange überzeugt, dass man die Welt nur mit langfristig negativen Realzinsen aus ihrer Schuldenmisere befreien kann. Das derzeitige Umfeld mit Inflationserwartungen von nach wie vor etwa 2%, obgleich die Anleihenrenditen weiter steigen, ist für uns schwer nachvollziehbar, und wir setzen gerne dagegen. Das haben wir auch bereits getan und eine große Position in TIPS aufgebaut. Aus unserer Sicht wird entweder die Inflation stark zurückgehen, weil die Konjunktur unter der Last der höheren Zinsen nachlässt, sodass die Zinsen schnell wieder sinken, oder sie wird sehr lange hoch bleiben. Einen Inflationsrückgang bei anhaltend hohen Zinsen (oder zumindest deutlich höheren als die Inflation) halten wir für unwahrscheinlich. Wenn unsere Grundannahme richtig ist, sind die Aussichten für deutsche Immobilien besser, als die meisten Marktteilnehmer denken. Entweder werden die Zinsen fallen, sodass sich die Bedenken automatisch zerstreuen, oder die Inflationserwartungen werden deutlich steigen. Aus aufsichtsrechtlichen Gründen können die Mieten nicht sofort an die Inflation angepasst werden. Aber sie werden nach und nach angehoben werden. Und da die Zinsaufwendungen nur allmählich steigen, weil Hypotheken naturgemäß eine lange Laufzeit haben, dauert es eine ganze Weile, bis die Cashflows deutlich zurückgehen. Das heißt nicht, dass die Cashflows nicht unter Druck geraten werden. Aber im Vergleich zum Gesamtmarkt haben Immobilienunternehmen Eigenschaften, die sie robuster machen als die meisten anderen. Die Umsätze profitieren von niedrigen Leerständen und wenigen Mieterwechseln. Aufgrund der gesetzlichen Vorschriften zu Mieterhöhungen haben Mieter einen großen Anreiz, nicht umzuziehen. Was ist mit den Immobilienbewertungen? Zweifellos werden höhere Finanzierungskosten das Immobiliengeschäft kurzfristig belasten, und kleinere Preissenkungen sind wahrscheinlich. An allen Immobilienmärkten gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Regionen und Immobilienarten, deshalb sind Durchschnittswerte immer mit Vorsicht zu betrachten. Aber die Objekte börsennotierter Unternehmen, in die wir investieren, stehen mit bis zu 50% Abschlag gegenüber den Errichtungskosten in den Bilanzen, und dabei ist der Grundstückswert noch gar nicht berücksichtigt. Sicher ist, dass die Baukosten in den letzten ein bis zwei Jahren deutlich gestiegen sind. Sicher ist auch, dass das Angebot an deutschen Wohnimmobilien knapp ist, weil sonst die Leerstandsquoten nicht so niedrig wären. Deshalb können wir uns kaum vorstellen, dass die Immobilienpreise jetzt noch deutlich fallen. Obgleich unsere Immobilienpositionen in den letzten ein bis zwei Jahren so schwach waren, haben wir unsere Einschätzung nicht grundsätzlich geändert und halten daher an unserer Investmentthese weiter fest. Immobilien sind reale Werte, die langfristig einen recht guten Schutz gegen Inflation bieten dürften. Was sich allerdings dramatisch verändert hat, ist die Bewertung. In der Vergangenheit entsprach sie dem 1-Fachen des Nettoinventarvermögens (NAV) und dem 20-Fachen des FFO. Heute liegt sie eher beim 0,5- und 10-Fachen. Wenn etwas, das Sie mögen, günstiger wird, sollten Sie mehr davon kaufen. Und das haben wir im Laufe des letzten Jahres getan, natürlich, ohne die Positionsgrößen aus den Augen zu verlieren.

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