Die französische Hauptstadt war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Anziehungspunkt für Künstler*innen aus der ganzen Welt. Mit „Paris Magnétique“ widmet das JMB jüdischen Künstler*innen der „Pariser Schule“ die erste große Ausstellung in Deutschland. Die Schau zeichnet mit rund 120 Werken in zehn Kapiteln nach, wie migrantische, oft marginalisierte Positionen als Teil der Pariser Avantgarde das heutige Verständnis der Kunst der westlichen Moderne prägten. Zu sehen sind Werke von bekannten und weniger bekannten Künstler*innen, von Marc Chagall, Amedeo Modigliani, Chana Orloff, Sonia Delaunay, Jacques Lipchitz und anderen.
Neben zahlreichen Gemälden zeigt das JMB Skulpturen und Zeichnungen. Dabei illustrieren Zeitdokumente wie Fotos, Zeitungs- und Filmausschnitte den historischen Kontext und die Biografien der Künstler*innen, ihre Netzwerke und Treffpunkte wie Montparnasse oder das Atelierhaus „La Ruche“, „Der Bienenkorb“. Das alles gibt einen lebendigen Eindruck der jüdisch-europäischen Vielfalt in der französischen Hauptstadt.
Der Begriff „Pariser Schule“ („École de Paris“) bezeichnet weder eine Kunstschule noch einen stilistischen Rahmen, sondern eine kosmopolitische Kunstszene, die sich gegen nationalistische und fremdenfeindliche Stimmen behauptete. 1925 prägte der Journalist und Kunstkritiker André Warnod den Begriff, der darunter die gerade im Entstehen begriffenen europäischen Avantgarde von Paris zusammenfasste.
Die Direktorin des JMB, Hetty Berg, betont, dass die „École de Paris“ weltweit als Vorbild, Maßstab, Orientierungs- und Vergleichspunkt für künstlerische Entwicklungen galt: „Diese Pariser Avantgarde sprengte die stilistischen Grenzen nicht nur einzelner Genres, sondern auch von Gattungen, und gab der gesamten europäischen Moderne ihre entscheidenden Impulse. Wir rufen mit der Ausstellung „Paris Magnétique“ in Erinnerung, dass zu dieser Avantgarde viele jüdische Künstler*innen und viele Frauen zählten, und dass sie sich zwischen Ländern, Kulturen und Milieus bewegten bzw. bewegt hatten.“
Die Künstler*innen der „Pariser Schule“ kamen aus Deutschland, aus Italien und aus dem ehemaligen Russischen Reich, aus Polen, der Ukraine oder Belarus, nach Frankreich, um ein neues, freies Umfeld für ihr Schaffen zu finden. Dr. Shelley Harten, Kuratorin am JMB, hebt hervor, dass Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein sehr besonderer Ort war: „Wie ein Magnet zog die französische Metropole Künstler*innen aus aller Welt an – sie bot ihnen den Unterricht in verschiedenen Akademien, einen Reichtum an Ausstellungen und Museen, einen aktiven Kunstmarkt und nicht zuletzt die Gemeinschaft der Bohèmiens in den vielen Cafés und Lokalen der Stadt. Manche Künstler*innen konnten so den schlechten Lebensbedingungen in ihren Herkunftsländern entrinnen, der Marginalisierung und Diskriminierung bis hin zu Pogromen.“
Die Ausstellung „Chagall, Modigliani, Soutine… Paris pour école, 1905–1940“ wurde ursprünglich vom musée d’art et d’histoire du Judaïsme in Paris konzipiert und von Juni bis November 2021 präsentiert. Viele der gezeigten Werke stamm en aus den Sammlungen des mahJ und des Musée national d’art moderne im Centre Pompidou sowie von privaten Leihgebern.
Der Katalog zur Ausstellung erscheint in deutscher Sprache im Wienand Verlag, Köln. 276 Seiten, 203 Abbildungen, ca. 30 Euro.
Die Website mit aktuellen Informationen zur Ausstellung finden Sie unter: https://www.jmberlin.de/ausstellung-paris-magnetique.
Laufzeit: 25. Januar 2023 bis 1. Mai 2023
Ort: Jüdisches Museum Berlin, Altbau, 1. OG
Eintritt: 8 € / erm. 3 €
Öffnungszeiten: täglich 10 bis 19 Uhr
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