Doch mittel- bis langfristig treiben zwei wichtige Themen weiter die Kurse in Japan. Die verbesserte Governance japanischer Unternehmen und der Übergang der japanischen Wirtschaft von der Deflation zur Inflation. Davon ist June-Yon Kim, Lead Portfolio Manager für japanische Aktien bei Lazard Asset Management, überzeugt. Zunächst jedoch verdaue der Markt die zurückgenommenen Prognosen der Unternehmen.
Konservative Prognosen der TOPIX-Unternehmen
In Japan habe das Geschäftsjahr erst im April angefangen – und dies eher verhalten. Nach einem starken Jahr mit kräftigen Gewinnzuwächsen im hohen zweistelligen Bereich habe der Aktienmarkt innegehalten: „Aus unserer Sicht ist das nicht überraschend, da der Markt zunächst die schwächer als erwartet ausgefallenen Prognosen der Unternehmen im Aktienindex TOPIX verdauen musste“, erklärt June-Yon Kim. Diese hätten insgesamt ein nur niedriges einstelliges Umsatzwachstum sowie einen ebenfalls im niedrigen einstelligen Bereich liegenden Gewinnrückgang für das im März 2025 endende Geschäftsjahr in Aussicht gestellt.
Dies müsse der Markt nun zunächst verdauen, nachdem das gerade abgeschlossene Börsenjahr ausgezeichnet gewesen sei: Japanische Aktien hätten in lokaler Währung um 41 Prozent zulegen können und selbst in US-Dollar konvertiert um vorzeigbare 24 Prozent. Damit hätten sie international die meisten Märkte übertroffen, mit Ausnahme der USA, die vom Hype um Technologieaktien und Künstliche Intelligenz profitiert hätten. Zudem habe der Yen weiter nachgegeben, die Bank of Japan im März erstmals die negativen Zinsen aufgehoben, und die Unternehmen hätten ihre Governance deutlich verbessert.
Kim kommentiert die gedämpften Aussagen der Unternehmen deshalb so: „Japanische Managementteams neigen dazu, konservative Prognosen abzugeben.“ Und weiter: „Obwohl wir keine Gewinne auf Index-Ebene prognostizieren, erscheinen uns die Konsenserwartungen mit einem moderaten Gewinnwachstum im mittleren bis hohen einstelligen Bereich vernünftig.“ Positive Gewinnsteigerungsraten nach dem ersten Geschäftsquartal könnten die allgemeine Marktstimmung zusätzlich verbessern.
Politische Risiken treffen auf unternehmerische Stärke
Gegenwind könne sich laut dem Investmentexperten aus den politischen Unsicherheiten in Japan, aber auch anderen Teilen der Welt entwickeln: „Wir erwarten, dass die US-Präsidentschaftswahlen bald die Stimmung der Anleger belasten werden“, sagt Kim. In Japan selbst stünden im September die Wahlen innerhalb der Liberaldemokratischen Partei LPD an. „Sollte es Premierminister Fumio Kishida nicht gelingen, weiter als LPD-Vorsitzender im Amt zu bleiben, könnte dies Bedenken mit Blick auf die politische Kontinuität im Land wecken“, so Kim. Auch die jüngste Abwertung des Yen von 150 auf 160 gegenüber dem US-Dollar habe die Stimmung der Anleger getrübt.
Positive Nachrichten kämen hingegen aus den Unternehmen: Deren Gewinne hätten nach den jüngsten Erwartungsrücknahmen positiv überraschen können. „Darüber hinaus haben gute Entwicklungen in der Unternehmensführung die Ankündigungen von Aktienrückkäufen beschleunigt“, berichtet der Experte. Da sich die Gesamtinflation von einem hohen Niveau aus abschwäche, seien nominale Lohnzuwächse möglich, die sogar die Inflation überträfen. Damit entstünde ein reales Einkommenswachstum, das ab Ende 2024 oder Anfang 2025 in steigenden Konsum münden könne.
Unterstützung der Privatanleger
Weitere Unterstützung erhalte der Aktienmarkt in Japan von den Privatanlegern des Landes, denen Kim eine positive Risikobereitschaft bescheinigt: „Die japanischen Privatanleger haben die jüngsten Änderungen am nationalen Aktienspar-Programm NISA voll und ganz angenommen und ihre Beiträge im Vorjahresvergleich verdreifacht.“ Sollte sich die Bank of Japan (BoJ) für eine weitere Zinserhöhung entscheiden, wäre dies ein zusätzliches positives Signal: „Das wäre ein weiterer Schritt in Richtung wirtschaftlicher Normalisierung und würde möglicherweise auch den Yen stützen. Schließlich bleiben die Fundamentaldaten nach unserer Analyse für viele Branchen stabil, und auch die Bereinigung der Lagerstände macht sich inzwischen bemerkbar“, sagt Kim.
„Wir glauben, dass viele Marktteilnehmer weltweit das Potenzial japanischer Aktien noch immer unterschätzen“, erklärt der Japan-Experte. Zwar seien die Kurs-Gewinn-Verhältnisse wieder auf ihren 10-Jahres-Durchschnitt zurückgekehrt, das Verhältnis von Unternehmenswert zu EBITDA sei jedoch noch immer deutlich niedriger als in anderen entwickelten Märkten. Seiner Meinung nach ist dies der bessere Indikator für eine verbesserte Kapitaleffizienz japanischer Unternehmen.
In der aktuellen Flaute, in der die starke Performance etwas nachgelassen habe, sieht der Lazard-Experte eine willkommene Gelegenheit für Anleger, ihre strategische Positionierung in japanischen Aktien zu überdenken und gegebenenfalls aufzustocken.
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