Gerit Heinz, Chef-Anlagestratege Wealth Management bei der UBS Deutschland AG, erklärt, warum für Anleger eine durchdachte Streuung der beste Schutz ist vor unliebsamem Überraschungen an den Finanzmärkten und der Teamgedanke bei der Zusammenstellung des Portfolios immer wichtiger wird.
Drei Fragen an Gerit Heinz, Chef-Anlagestratege Wealth Management UBS Deutschland AG
Herr Heinz, die erste Halbzeit des laufenden Börsenjahres ist vorüber. Fast alle Anlageklassen liegen im Plus. Eine solch breite positive Wertentwicklung erscheint ungewöhnlich. Wo sehen Sie die Ursachen?
Heinz: Einer der Hauptgründe dafür ist vereinfacht gesagt, ein Mangel an negativen Überraschungen. Ich denke, nach den Turbulenzen der Vorjahre ist es verständlich, wenn die Anleger die derzeitige Phase mit eher wenigen Überraschungen genießen. Die Gefahr ist, dass daraus eine überzogene Erwartungshaltung entsteht. Viele Anlageformen haben in den vergangenen Jahren eine sehr gute Wertentwicklung vollzogen – ich nenne nur einmal Aktien. Vor diesem Hintergrund werden die Renditen, die in den kommenden Monaten aller Wahrscheinlichkeit zu erzielen sind, wahrscheinlich von vielen Anlegern als nicht sonderlich „berauschend“ wahrgenommen werden. Um einen Vergleich mit dem Fußball zu ziehen: Es reicht ihnen nicht, zu gewinnen, der Sieg muss auch noch hoch ausfallen.
Mit welchen Entwicklungen müssen die Investoren in der zweiten Jahreshälfte rechnen?
Heinz: In den USA signalisieren die Indikatoren, dass die Wirtschaft nach der Verlangsamung im ersten Quartal wieder auf Wachstumskurs ist. Dadurch werden unserer Einschätzung zufolge die Unternehmensgewinne dort im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich steigen. In der Eurozone sind die Frühindikatoren eher wechselhaft, aber auch hier dürfte die Wirtschaft wachsen. Die Aussichten für Aktien bleiben daher gut – außer in Großbritannien. Dort lassen jüngste Äußerungen des Notenbankchefs Mark Carney darauf schließen, dass eine Leitzinserhöhung gegen Ende des Jahres wahrscheinlich ist. Das Pfund dürfte weiter zulegen, was eine Belastung für die Gewinne britischer Unternehmen darstellt. Bei Anleihen müssen sich die Anleger nach der Leitzinssenkung durch die Europäische Zentralbank und angesichts einer strafferen Geldpolitik der US-Notenbank wohl eher auf steigende Zinsen einstellen.
Angesichts weiter steigender Aktienkurse und rekordtiefer Zinsen bei gleichzeitig höchster Staatsverschuldung in Friedenszeiten sind viele Anleger verunsichert, wie sie ihr Geld anlegen sollten. Was empfehlen Sie in der aktuellen Situation?
Heinz: Um beim Fußball zu bleiben: Eine kontrollierte Offensive zu spielen, dabei aber auf eine stabile Defensive zu achten, um nicht ausgekontert zu werden. Im aktuellen Umfeld sollten sich Investoren nicht dazu verleiten lassen, größere Risiken einzugehen, als sie verkraften können. Risiken, die in einer «Welt ohne Überraschungen» tragbar erscheinen, können zu einem späteren Zeitpunkt unter Umständen untragbar werden. Eine gute Diversifikation des Portfolios ist daher entscheidend, um das Risiko-Rendite-Profil insgesamt zu verbessern. Ein Beispiel: Gegenwärtig geben wir Hochzins-Unternehmensanleihen den Vorzug gegenüber erstklassigen Anleihen, doch ein Anleger, der sein gesamtes Portfolio mit diesen Titeln bestückt, ist schlecht beraten. Letztlich kommt es auf die Mischung und das Zusammenspiel mit anderen Anlageformen an, die im Idealfall nicht oder nur schwach miteinander korreliert sein sollten. Anders gesagt: Es kommt nicht nur darauf an, gute Einzelspieler aufzustellen, sondern ein Team zu formen und sich eine passende Taktik zurechtzulegen.