Die Frage ist, wie groß ein ETF sein muss, damit er profitabel ist. Die Angaben dazu schwanken von Anbieter zu Anbieter. In vielen Fällen ist jedoch von einem verwalteten Vermögen von 100 Millionen Euro pro Fonds die Rede, damit ein ETF sich lohnt.
Ein zweites Kriterium, das bei den Todeslisten eine Rolle spielt, ist die Zeit. Da die Auflage von Fonds die Anbieter Geld kostet, haben diese kein Interesse daran, Fonds kurz nach deren Auflage gleich wieder zu schließen. Doch welche Gnadenfrist werden Anbieter schwächelnden ETFs zugestehen? Meiner Ansicht nach sind drei Jahre realistisch. Denn nach dieser Zeit hat ein Fonds verschiedene Marktzyklen durchlebt.
Demnach wären potenzielle Kandidaten für eine ETF-Todesliste jene Fonds, die seit mindestens drei Jahren auf dem Markt sind und deren Volumina nicht über 100 Millionen Euro gestiegen sind. Anhand dieser Kriterien ergibt sich für den deutschen Markt, der 955 ETFs umfasst, eine Liste von 195 Wackelkandidaten. Diese Quote von rund 20 Prozent ist beachtlich. Sind wirklich so viele ETFs von der Schließung bedroht?
Bei der Beantwortung dieser Frage gilt es, zwei Punkte berücksichtigen: zum einen die Frage nach dem Nutzen kleiner Fonds für die Anleger beziehungsweise Anbieter. Dabei geht es um den Einsatzzweck, für den die Fonds aufgelegt wurden. Dienen sie der Komplettierung der Produktpaletten? Sehen die Anbieter sie als Spezialitäten für ihre Schaufenster an? Benötigen die Investoren diese Fonds, um Anlageentscheidungen schnell umsetzen zu können? Nutzen sie die Fonds als kurz- oder langfristige Anlageinstrumente?
Zum anderen hängt die Profitabilität von ETFs nicht nur von deren verwalteten Vermögen ab. Schließlich verdienen viele Anbieter beziehungsweise deren Mutterbanken auch mit ihrer Funktion als Authorized Participant (AP), also an der Ausgabe und Rücknahme von Fondsanteilen, Geld. Somit ist neben dem verwalteten Vermögen auch der Börsenumsatz von ETFs ein wichtiger Faktor, um die Profitabilität der Fonds zu bestimmen.
Schaut man sich die Liste der 195 obengenannten ETFs genauer an, so stellt man fest: Eine Vielzahl dieser Fonds bezieht sich auf Branchenindizes. Investoren nutzen diese Fonds oftmals für kurzfristige Anlagen in speziellen Sektoren, was den Produkten tendenziell hohe Umsätze beschert. Daher können sie sich trotz geringer Volumina für die Anbieter lohnen.
Allerdings gibt es auf der Liste auch eine große Anzahl von Fonds, die sich auf Strategie- und Themenindizes beziehen. Strategie-ETFs sind im Gegensatz zu anderen ETFs teilweise hochkomplex, so dass einige Investoren sie womöglich nicht verstehen. ETFs auf spezielle Investmentthemen wie ökologisch und sozial nachhaltiges Investieren dürften bei vielen Investoren grundsätzlich nicht zur Anlagestratgie passen. Daher könnten solche Fonds – eher als die Branchen-ETFs – tatsächlich von Schließungen bedroht sein.
Insgesamt denke ich, dass die oft herbeigeredete Konsolidierung in der ETF-Branche erst dann einsetzen wird, wenn die insgesamt verwalteten Vermögen der Anbieter nicht mehr steigen. Denn solange die verwalteten Vermögen und damit auch die Einnahmen der Anbieter steigen, verspüren diese keinen Druck, ihre Produktpaletten zu bereinigen und sich eventueller Chancen zu berauben. Schließlich können sie, solange das Geschäft insgesamt gut läuft, Ladenhüter subventionieren.
Daher gehe ich davon aus, dass der Markt für börsennotierte Indexfonds auch in der Zukunft wachsen wird. Das dürfte sowohl in Bezug auf das insgesamt verwaltete Vermögen als auch die Anzahl der Fonds gelten.
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