Obwohl der Wirtschaftsstandort unter Druck steht, befindet Olgerd Eichler, Portfoliomanager im Team Blend / European Equities bei MainFirst: „In diesen Zeiten lassen sich ausgezeichnete Chancen entdecken.“
Der Neuanfang in Berlin entfaltet Potenzial
„‚Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne‘ – dieses berühmte Zitat von Hermann Hesse trifft die Erwartungen, die mit dem politischen Neustart verbunden sind. Doch der Zauber der neuen Bundesregierung bekam schnell erste Risse, als Kanzler Friedrich Merz erst im zweiten Wahlgang ins Amt gekommen ist. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die Regierung die Wirtschaft spürbar stärken kann. Die Herausforderungen bleiben groß: Der Zollkonflikt mit den USA schwelt weiter, und das schwache globale Wachstum belastet die Aussichten. Der Wille und das Potenzial sind aber vorhanden.“Das Sondervermögen bietet mittelfristige Lichtblicke
„Das sogenannte Sondervermögen für Investitionen und Sicherheit setzt ein konstruktives Signal. Wenn die staatlichen Mittel zielgerichtet in Infrastruktur und Sicherheit fließen, kann das wichtig für die Wirtschaft sein. Allerdings ist entscheidend, dass der politische Gestaltungswille konsequent umgesetzt wird, damit Unternehmen profitieren. Die resultierenden Wachstumsimpulse werden dieses Jahr noch überschaubar bleiben, bieten dann aber eine attraktive Perspektive.“
„Local-for-local“ heißt die Zukunft für Exportnationen
„Der deutsche Exportmotor stottert. Deshalb gilt es für viele Unternehmen, ihre Strategien anzupassen. Die Zeiten zentralistisch organisierter Weltmarktherrschaft sind vorbei. Die multipolare Weltwirtschaft und die globalen Umbrüche erfordern den Auf- und Ausbau lokaler Produktions- und Entwicklungskapazitäten. Da kommt den deutschen Unternehmen ihre traditionell hohe Anpassungsfähigkeit und -geschwindigkeit zugute. Ein Beispiel der Local-for-Local-Strategie ist Volkswagen, das zunehmend Produkte in China für China entwickelt.“
Der DAX trotzt den Krisen
„Trotz Pandemie, Ukrainekrieg, Lieferkettenkrisen und Inflations- sowie Zinsschock hat der DAX Anleger positiv überrascht. Viele haben nicht registriert, dass sich der deutsche Leitindex vom Corona-Tief bis ins Frühjahr 2025 um 167 Prozent auf Total-Return-Basis gesteigert hat. Damit liegt der deutsche Leitindex auf dem gleichen Steigerungsniveau wie der Nasdaq, der mit den Technologieriesen Amazon, Apple und NVIDIA ein Plus von 171 Prozent schaffte. Auch wenn Deutschland und seine Großkonzerne in letzter Zeit gerne schlecht geredet wurden, spiegelt sich dies an den Börsen kaum wider.“
Anleger mit Geduld und Gedächtnis sind im Vorteil
„Dabei sind die deutschen Werte deutlich günstiger zu haben als die US-Pendants: Der DAX wird nach Schätzungen für 2026 gerade mal mit dem 14,7-fachen seiner Gewinne bewertet, der Nasdaq im Vergleich mit dem 24-fachen. Das zeigt: Deutsche Aktien verlangen kein übertriebenes Risikobewusstsein, sondern ein gutes Gedächtnis – und sind damit ideal für Langfristinvestoren. Erinnerungen an vergangene Krisenbewältigungen großer Konzerne wie SAP, Siemens oder BMW belegen, dass oft belohnt wird, wer Geduld hat.“
Der Blick in die zweite Börsenreihe lohnt sich
„Seit Beginn des Ukraine-Kriegs und den damit einhergehenden Inflations- und Zinsschocks sind die Nebenwerte deutlich unter die Räder gekommen. Auch sie sind exportorientiert, allerdings auch abhängiger vom Binnenmarkt. Der SDAX wird mit gerade einmal dem 11-fachen seiner Gewinne für 2026 gehandelt und hat viele Hidden Champions in seinen Reihen. Für Anleger ergeben sich attraktive Chancen, denn gerade diese Unternehmen sollten von den in der Politik gesetzten Impulsen besonders profitieren. Einer perspektivischen Neubewertung steht nichts im Wege. Der Standort Deutschland ist aktuell angeschlagen, aber nicht geschlagen. Wer hinschaut, findet stille Gewinner zu vernünftigen Bewertungen.“
Fazit: Die Volatilität bleibt hoch
Trotz aller Konflikte zeigten sich Wirtschaft und Märkte außerordentlich widerstandsfähig, so Aktienexperte Eichler. Sein Fazit: „Viele Indizes haben neue Höchststände erreicht, Euphorie herrscht aber nicht – im Gegenteil. Jede Eskalation hat Potenzial, als neuer Katalysator für extreme Kursausschläge zu fungieren.“