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„Noch kann Griechenland den gordischen Knoten lösen“

Im Streit zwischen Griechenland und seinen Gläubigern halten die Experten von Vontobel Asset Management nach wie vor einen Kompromiss für möglich: Trotz des bislang fehlenden Abkommens zwischen Griechenland und seinen Gläubigern glauben wir weiterhin an eine Kompromisslösung. Falls die EU-Meinungsführer an der heutigen Notfallsitzung keine Einigung erzielen sollten, würde Griechenland aller Voraussicht nach einen Zahlungsausfall erleiden. Wir bleiben in Aktien «übergewichtet» und halten an unserer «erheblichen Untergewichtung» in Staatsanleihen fest – die Konsequenzen eines potenziellen griechischen Ausfalls für die Märkte dürften kontrollierbar bleiben. Griechenland und seinen Gläubigern bleiben vor der Schuldenrückzahlung von 1.6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) bis Ende Juni nur noch wenig Zeit.

Die Situation spitzt sich rasch zu, zumal die Griechen immer mehr Vermögen von ihren Bankkonten abheben (rund 6 Milliarden Euro in der letzten Woche). Wir möchten einige Gedanken über den wahrscheinlichen Ausgang der Verhandlungen und die möglichen Folgen für unsere Anlagestrategie darlegen. Das wahrscheinlichste Szenario: ein Kompromiss Die Lösung des gordischen Knotens scheint von Tag zu Tag schwieriger zu werden. Dennoch sehen wir in dieser Woche noch Spielraum für einen Kompromiss, einschliesslich einer Verlängerung des bestehenden Rettungsprogramms und einer Einigung hinsichtlich der bevorstehenden Rückzahlung von Darlehen des IWF und der Europäischen Zentralbank (EZB). Allerdings erfordert eine tragfähige Vereinbarung wahrscheinlich eine neue Zusammensetzung des griechischen Parlaments, beispielsweise durch Bildung einer neuen Koalitionsregierung oder vorgezogene Neuwahlen sowie einen Schuldenerlass seitens der Länder der Eurozone (oder zumindest die Bereitschaft, hierüber zu verhandeln).

Die derzeitige griechische Regierung wurde auf der Basis eines gegen die Sparpolitik gerichteten Programms gewählt, das – zumindest aus Sicht der Gläubiger Griechenlands – mit einer tragfähigen Verschuldung unvereinbar ist. Bisher wurde keine Einigung erzielt, da die verschiedenen Verhandlungspartner zu einem möglicherweise «unumkehrbaren» Schritt nicht bereit sind. Der griechische Premierminister Alexis Tsipras kann es sich nicht erlauben, gegenüber den Gläubigern zu stark oder zu rasch nachzugeben, da er dann in den Augen seiner Partei an Glaubwürdigkeit verlieren würde. Gleichzeitig ist ihm wahrscheinlich klar, dass die Mehrheit der Griechen den Verbleib in der Gemeinschaftswährung wünscht, und dass ein ungeordneter Euro-Austritt die griechische Bevölkerung stark unter Druck setzen und somit seine eigene politische Zukunft gefährden würde.

Die Gläubiger (der IWF, die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und die EZB – früher als «die Troika» bezeichnet) wünschen ein realistisches Programm mit glaubwürdigen, kontrollierbaren Reformen, die ein höheres Trendwachstum und einen Primärüberschuss im Staatshaushalt ermöglichen und somit die Schuldentragfähigkeit stärken. Dabei ist anzumerken, dass die Gläubiger unterschiedliche Ziele verfolgen. Der IWF schlägt beispielsweise vor, dass die öffentlich-rechtlichen Gläubiger der Eurozone, d.h. die EFSF, sich bei einem Schuldenerlass am stärksten beteiligen sollten. Dies mag aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll sein, ist jedoch (nach wie vor) ein Tabu für die anderen Mitglieder der Eurozone, darunter Deutschland und die sogenannten Peripherieländer wie Irland, Spanien und Portugal, die in den vergangenen Jahren harte Sparprogramme umgesetzt haben. Die EZB wiederum möchte nicht als «politischer» Entscheidungsträger gelten und stellt bisher dringende Finanzhilfen für die griechischen Banken bereit. Allerdings sind solche Schritte zunehmend schwierig zu rechtfertigen.

Und dann ist da noch die politische Dimension. Während sich einige der Kernländer der Eurozone für einen «Grexit» erwärmen, lehnt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel einen solchen Ausgang aus Angst vor potenziell unvorhersehbaren Konsequenzen weiterhin klar ab. Ausserdem will die deutsche Regierungschefin nicht als Person in die Geschichte eingehen, die für die Auflösung des stärksten Symbols der Europäischen Integration seit dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich war (das Gleiche gilt für den französischen Präsidenten François Hollande).

Anleihen der europäischen Peripherieländer und Aktien aus der Eurozone unter Druck

Neben griechischen Vermögenswerten stehen gegenwärtig Anleihen der europäischen Peripherieländer und Aktien aus der Eurozone unter Druck. Die Renditeabstände (Spreads) von spanischen und italienischen Staatsanleihen gegenüber deutschen Bunds haben sich in Richtung 150 Basispunkte ausgeweitet (nachdem sie bisher auf Tiefständen von 100 Basispunkten lagen), während Aktien aus der Eurozone weiterhin belastet werden. Allerdings reagiert der Markt viel gemässigter auf die griechische Situation als während des Höhepunkts der Eurokrise von 2011/2012. Hintergrund dafür sind die günstigeren Aussichten in den Peripherieländern sowie die vorteilhaften Auswirkungen des niedrigeren Euro und der Liquiditätsspritzen der EZB auf die gesamte Wirtschaft der Eurozone. Ausserdem bestehen wenig Zweifel darüber, dass die EZB einen deutlichen Zinsanstieg in der Eurozone bekämpfen würde, da eine Aufwärtsbewegung die aufkommende Konjunkturerholung gefährden könnte. Ein Trost für die Anleger könnte auch sein, dass nicht-griechische Banken nur über ein minimales Engagement im südeuropäischen Land verfügen und dass 80 Prozent der griechischen Staatsanleihen von der Troika gehalten werden. Dadurch ist eine Panikreaktion wie nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers weniger wahrscheinlich.

Verstärkung der Aktienpositionen nicht ausgeschlossen

Trotz gewisser Marktturbulenzen haben wir unsere Positionierung nicht verändert. Wir sind weiter in Aktien «über-» und in Staatsanleihen deutlich «untergewichtet». Die Rahmenbedingungen, geprägt von einem angemessenen Aufschwung in den drei grössten Volkswirtschaften der Welt (USA, Eurozone und Japan, G3), kräftigen Unternehmensgewinnen und reichlich globaler Liquidität, sind nach wie vor sehr gut. Die Marktteilnehmer legen derzeit ein beträchtliches Mass an Risikoaversion an den Tag, was sich in hohen Beständen an liquiden Mitteln und umfangreichen Absicherungsmassnahmen («Put-to-Call»-Verhältnis) niederschlägt. Im Grunde werden die Geldpolitik der USA und die gesamtwirtschaftlichen Daten für die Entwicklungsrichtung der globalen Märkte viel wichtiger sein als Griechenland.

Die zentrale Frage lautet letztlich, ob die «Firewall», die die EZB um die griechische Krise errichtet hat, halten wird. Nach dem positiven Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Einführung der Outright Monetary Transactions (OMT) – mit denen die EZB nun die Möglichkeit hat, Notfallmassnahmen zu ergreifen und durch den Kauf von Anleihen von Mitgliedern der Eurozone das Eurosystem zu stabilisieren – hat sich die Schlagkraft der EZB erhöht, und sie kann die Rolle des Kreditgebers der letzten Instanz übernehmen. Dies könnte unseres Erachtens dazu beitragen, einen Ansteckungseffekt, d.h. das Übergreifen der Krise von Griechenland auf weitere Länder der europäischen Peripherie, zu vermeiden.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass es je nach Nachrichtenlage Volatilitätsschübe geben kann, aber wir sind bereit, diese auszusitzen. Wir könnten sogar bestehende Positionen, von denen wir überzeugt sind, in durch die Griechenlandkrise ausgelösten Schwächephasen aufstocken.

 

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