Investmentfonds

Nachhaltig investieren heißt vernünftig investieren

Es mag paradox und für nicht wenige vor dem Hintergrund des aktuellen Zeitgeschehens sogar provozierend klingen, aber als ehemaliger Fondsmanager, der klassisch in Finanzen ausgebildet wurde und sogar an einer nur auf die Kapitalmärkte spezialisierten Hochschule studiert hat, schreibe ich gerade deshalb mit rationaler Überzeugung: Wer Nachhaltigkeit in der Geldanlage außer Acht lässt, gehört zukünftig gewiss nicht zu den sechs Siebeng’scheiten.

Wieso? Wer von uns hat nicht schon einmal vom Börsen-Altmeister André Kostolany gehört und vielleicht auch schon ein Buch des Kapital-Kosmopoliten mit seinen  Börsenweisheiten gelesen? Folgende seiner Anekdoten ist eine der bekanntesten: „Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten, und schauen Sie die Kurse nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.“

Dass so etwas nicht nur ein blöder Spruch ist, zeigt eindrucksvoll das so simple wie aussagekräftige DAI-Renditedreieck: Das Deutsche Aktieninstitut machte ein grafisches Instrument populär, das zeigt, welche Durchschnittsrenditen Anlegende in den DAX über verschiedene Anlagezeiträume und Einstiegsjahre erzielt hätten. Das gleiche gibt es mittlerweile auch für den EURO STOXX, den MSCI World und weitere Indizes.

Bleiben wir für diese Kolumne in Deutschland und akzeptieren den Home- Bias, also die Tendenz, eher in Unternehmen des eigenen Landes, da bekannt, zu investieren, was eigentlich ein klassischer Fehler der Börsenpsychologie ist. Trotz Heimatliebe geht es hier aber um die empirisch unbestrittenen Kernaussagen, die ähnlich für die allermeisten, zumindest auf entwickelte Märkte zutreffen: Im Durchschnitt erzielte die Aktienanlage über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren ca. sieben bis neun Prozent (Vorsteuer) Rendite und Anlegende mussten sich mit steigender Haltedauer um deutlich weniger Schwankungsbreite sorgen.

Seit 1970 hat noch kein 13-Jahres-Zeitraum mit einem negativen Ergebnis geendet und nach jedem großen Crash (sei es die Ölkrise, das Platzen der Dotcom-Blase, die Finanzkrise oder Corona) drehten die kurzfristig roten (negativen) Jahre in mittel- bis langfristige grüne (positive) Jahre. Ein statistischer Beleg der Kostolanyischen Schlaftabletten-Metapher für ruhiges, langfristiges Investieren ohne emotionales Hin und Her und vor allem ohne das hektische und meist übertriebene Rauschen der heute immer mehr von Medien befeuerten Stories und Skandale, Auf- und Abwärtstrends, was letztendlich dem Herdentrieb – ein weiterer klassischer Fehler aus der Börsenpsychologie – Vorschub leistet.

Nun schlage ich mit einer weiteren Weisheit des Weltmannes Kostolany die Brücke zu (mehr) Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage: Unser bekannter, fast hundert Jahre alt gewordener Finanzexperte empfahl nämlich auch zu kaufen, wenn die Mehrheit Angst hat, und zu verkaufen, wenn die Mehrheit gierig ist – also gegen den Strom zu handeln.

Zur eingangs erwähnten Provokation: Traut man dem Gros der Finanzmagazine, schaut sich die Politik des orangenen Spinners im Weißen Haus an, verfolgt die Rückschritte falsch umgesetzter konservativer Politik in vielen europäischen Ländern, sah die Aktien der Erneuerbaren in den kürzer zurückliegenden Jahren abschmieren und gleichzeitig die der Öl-Multis vermeintlich wieder auferstehen, ganz zu schweigen von den Waffen-Unternehmen, deren Aktien seit Putins Überfall auf die Ukraine durch die Decke gehen, ist das aktuelle Narrativ: ESG interessiert niemanden mehr, Nachhaltigkeit kostet viel Geld und die Erderwärmung auf Kosten von Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand weiter zu bekämpfen, ist wirtschaftlicher und politischer Selbstmord.

Und schon ist man Spielball der Börsenpsychologie, läuft dem immer wechselnden Zeitgeist hinterher und verliert in kurzfristiger Unvernunft das große Ganze aus den Augen. Denn in Zeiten immer geringer werdender Aufmerksamkeitsspannen, bei denen ich regelmäßig gemahnt werde, am besten eine Kolumne mit drei Sätzen zu schreiben, sind Sätze wie „Nachhaltigkeit kostet“ populistische Bauernfängerei. Denn diesen fatal verkürzten Satz werden wir doch wohl noch mit ein wenig Vernunft vervollständigen können. Und zwar in „Nachhaltigkeit kostet heute, aber kostet noch viel mehr morgen und kostet langfristig vor allem viel weniger als ein Weiter-so“. Anders ausgedrückt: Durch die Diskontierung von Erträgen und Kosten, die durch Nachhaltigkeit entsteht, ist der heutige Nettobarwert, also DER Maßstab für eine Investition, größer null.

Und gerade vor dem Hintergrund der Kostolanyischen Weisheiten sind Folgendes die Fakten: Die Nachhaltigkeits-Variante des MSCI World hat über einen Zeitraum von zehn Jahren immer noch eine Outperformance gegenüber der konventionellen Version, seit Auflage 2007 sogar noch mehr.

Eine Studie von Morgan Stanley zeigt, dass in deren Fondsuniversum von fast 100+000 Produkten, die als nachhaltig Deklarierten seit Messung 2019 im Durschnitt ebenfalls die als nicht nachhaltig Deklarierten schlugen. Und wenn man sich jetzt noch vor Augen führt, dass 2022 und 2024 ganz schlechte Jahre für die Performance nachhaltiger Geldanlagen waren, sollte man sich erst recht Kostolany zu Herzen nehmen und gegen den aktuellen Trend investieren. Denn ein Einstiegszeitpunkt ist für Kurzfrist- Zocker entscheidend, aber langfristig kaum relevant, heißt „Zeit schlägt Timing“. Oder, wie Kostolany es sagen würde: „Entscheidend ist nicht, wann Sie kaufen, sondern wie lange Sie dabeibleiben.“

Und was gibt es da Besseres als DAS Langfrist-Anlagekonzept bei erodierenden Lebensgrundlagen: die nachhaltige oder anders gesagt, zukunftsfähige, unseren Wohlstand bewahrende Geldanlage.

ROLAND KÖLSCH

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