Joseph E. Stiglitz ist Nobelpreisträger (genauer gesagt: Er hat den Alfred-Nobel-Gedächnispreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen bekommen, denn tatsächlich gibt es keinen Nobelpreis für Wirtschaft). Er ist – im stolzen Alter von inzwischen 82 Jahren – Professor an der Columbia University in Manhattan. Zudem unterrichtet er an den französischen Elitehochschulen École polytechnique und Sciences Po Paris. Stationen zuvor waren Yale, Stanford, Oxford und Princeton. Mehr als 40 Ehrendoktorwürden wurden ihm verliehen.
Von 1997 bis 2000 war er Chefökonom der Weltbank. Meinungsverschiedenheiten über deren Kurs führten 2000 zu seinem Rücktritt. Meinungsverschiedenheiten, um es höflich zu formulieren, hat er offensichtlich auch im Verhältnis zur aktuellen US-Regierung, wobei diese als One-Man-Show eher den Eindruck erweckt, als hätte DOGE-Chef Elon Musk empfohlen, künftig auf eine Regierung zu verzichten, um Kosten zu sparen.
Stiglitz stellt fest, dass Donald Trump jedes Gesetz beseitigt, dass die Anhäufung von Reichtum und Macht bedrohen könnte. Dazu mache er die USA zum „größten Steuerparadies der Geschichte“. So verfügte er den Rückzug des Finanzministeriums aus dem Transparenzsystem, das die Unternehmenseigentümer offenlegt, sowie den Rückzug aus den Verhandlungen über ein internationales UN-Steuerabkommen. Er weigert sich, den Foreign Corrupt Practices Act durchzusetzen. Hinzu kommt die massive Deregulierung von Kryptowährungen. „Die Trump-Administration hat gegen internationale Verträge verstoßen und vom Kongress zugewiesene Mittel beschlagnahmt. Diese Regierung debattiert nicht über Politik, „sie tritt die Rechtsstaatlichkeit mit Füßen“, urteilt Stiglitz.
Die Verschuldung der USA bereitet den Anlegern zwischenzeitlich so große Sorgen, dass bei einem Einbruch der Aktienkurse US-Staatsanleihen als „Safe Haven“ nicht mehr gefragt waren. Trotzdem sollen die Steuern gesenkt werden. Schon unter Ronald Reagan haben die Konservativen behauptet, dass sich Steuersenkungen durch die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums selbst bezahlt machen, was allerdings bei Reagan genauso wenig funktionierte wie in Trumps erster Amtszeit. Empirische Untersuchungen bestätigen laut Stiglitz, dass Steuersenkungen für Reiche keine messbaren Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum oder die Arbeitslosigkeit haben. Was allerdings großen Einfluss auf die wirtschaftlichen Entwicklungen haben dürfte, wäre der Verkauf von US-Staatsanleihen durch China, das nach Japan der größte ausländische Gläubiger der USA ist. Mit diesem Trumpf in der Hinterhand gehört China bestimmt nicht zur Riege derer, von denen er behauptet, „They‘re kissing my ass!“ (über Umgangsformen können wir ein andermal sprechen).
JÜRGEN DUMSCHAT