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Ist den Chinesen die Vernunft abhanden gekommen?

Das Thema China war zuletzt stark in den Medien vertreten: Das Wachstum scheint sich weiter abzuschwächen, der Aktienmarkt kollabiert und vor kurzem haben die Chinesen einen neuen Modus zur Wechselkursfestlegung eingeführt. Die Verwirrung ist komplett. Der Mangel an Vertrauen in die chinesische Regierung und deren Fähigkeit, die Wirtschaft und die chinesischen Finanzmärkte zu lenken, hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Titelseite des Economist machte auf mit „The Great Fall of China” während viele andere Medien wie die Financial Times von der verspielten Glaubwürdigkeit der chinesischen Regierung schrieben. Eine Frage steht im Raum. Haben die Chinesen die Kontrolle verloren? Ist ihnen die Vernunft abhanden gekommen? Die kurze Antwort lautet: nein.

Ganz im Gegenteil. Wir glauben, dass es für die chinesischen Maßnahmen ganz rationale Gründe gibt.
Rückblickend lässt sich erkennen, dass es dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping sehr viel schneller und umfassender gelungen ist, seine Macht zu konsolidieren, als viele es 2012 vermutet hätten. Xi Jinping hat bereits zahlreiche Reformen ins Leben gerufen. Auf politischer Ebene ist eine umfassende Anti-Korruptionskampagne die bisher eindrucksvollste Manifestation seiner Kontrolle über den politischen Apparat.

2015 ist ein besonderes Jahr

Blicken wir auf den Finanzsektor, erweist sich 2015 als ein ganz besonderes Jahr sowohl für Xi Jinping als auch für China insgesamt. 2015 hat die chinesische Währung die Chance, ein Teil des Währungskorbs an globalen Weltreservewährungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu werden. Eine solche Gelegenheit bietet sich nur alle fünf Jahre einmal, das nächste Mal also im Jahr 2020 – zu diesem Zeitpunkt wird Xi Jinping das Machtzentrum verlassen.

Neben der politischen Bedeutung einer Anerkennung der chinesischen Währung auf gleicher Ebene mit dem US-Dollar und dem Euro gibt es natürlich auch wichtige Aspekte im Hinblick auf die Entwicklung des globalen Finanzsystems und die Integration Chinas (der größten Handelsnation der Welt). Am 26. Mai dieses Jahres bewegte sich der IWF einen großen Schritt nach vorne, indem er offiziell erklärte, dass die chinesische Währung nicht mehr unterbewertet sei. Dies geschah vor dem Hintergrund langjähriger Vorwürfe – nicht zuletzt seitens der USA –, dass China seine Währung manipuliere und bewusst eine Unterbewertung anstrebe. Vorgeworfen wurde, dass dies u.a. erfolge, um das Exportwachstum Chinas zu fördern und somit Arbeitsplätze, insbesondere aus den USA, abzuziehen. Mehrfach kam es zu kritischen Fragen und Diskussionen, in welchem Umfang das amerikanische Finanzministerium offiziell Sanktionen gegen China als Strafe für die manipulierte Währung einführen solle.

Daher hatte die Mitteilung des IWF im Mai einerseits eine große symbolische Bedeutung für ein Entgegenkommen. Anderseits erfolgte sie jedoch aus zunehmendem Druck. Denn die chinesische Währung war in den letzten zehn Jahren mehr als 50 Prozent im Wert gestiegen. Für die Handelspartner des Landes führte dies zu Problemen. Kurzum: Xi Jinping machte den ersten Schritt und war im Mai auf dem Weg in Richtung einer Aufnahme der Währung in den Währungskorb des IWF.

Die Abwertung der chinesischen Währung ist kein Zufall

Am 4. August gab es für die Chinesen jedoch einen Rückschlag: Der IWF teilte offiziell mit, dass er es begrüßen würde, wenn der Wert der chinesischen Währung in stärkerem Umfang durch den Markt bestimmt würde. Wir können natürlich nur spekulieren, dass das Timing der chinesischen Abwertung, die genau eine Woche später erfolgte, nicht reiner Zufall war.

Wenn man davon absieht, dass der Yuan an zwei Tagen um 5 Prozent fiel und damit massive Unsicherheit auf den globalen Finanzmärkten schaffte, war die wichtigste Botschaft der chinesischen Zentralbank, dass man den Marktkräften in Zukunft eine größere Rolle bei der Bewertung der chinesischen Währung einräumen würde.

Aus heutiger Sicht ist es interessant zu sehen, dass die chinesische Währung innerhalb der letzten Handelstage de facto gegenüber dem US-Dollar gestärkt wurde. Hierbei ist es von größter Bedeutung, nicht nur auf die grundlegende Situation der chinesischen Wirtschaft zu blicken, sondern auch die künftigen politischen Aspekte im Auge zu behalten.

China weist nach wie vor einen beträchtlichen Handelsüberschuss aus. Und solange die Rohstoffpreise fallen, wird dieser Überschuss weiter ansteigen. Rechnet man die Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen in China hinzu, profitiert das Land zurzeit von dem damit verbundenen Valutazufluss, der rund 5 Prozent des chinesischen BIP entspricht.

Dies ist der wichtigste Grund, warum die Währung in den vergangenen Jahren im Wert gestiegen ist und warum wir der Ansicht sind, dass sie dies in den kommenden Jahren gegenüber den primären Handelspartnern Chinas auch weiterhin tun wird.

Die Behörden wollen Spekulanten abschrecken

Kurzfristig können diese Kapitalbewegungen jedoch durch stärker spekulativ begründete Bewegungen überlagert werden. In diesem Zusammenhang erinnern wir daran, dass China, insbesondere in den letzten fünf Jahren, einen harten Kampf gegen Spekulanten geführt hat, die im Grunde Profiteure waren von einer Kombination aus Nullzinsen in den USA, erheblich höheren Zinsen in China und einer chinesischen Währung, die gegenüber dem Dollar und den meisten anderen Währungen gestiegen ist. Oberflächlich gesehen stellt dies einen nahezu risikolosen Gewinn dar – einen sogenannten Carry-Trade.

Zwei Tage nachdem die chinesische Zentralbank die Änderung ihrer Wechselkurspolitik auf der eigens einberufenen Pressekonferenz angekündigt hatte, äußerte diese, die Änderung sei teilweise darauf zurückzuführen, dass man „unnormale Kapitalbewegungen bekämpfen wolle und im Übrigen Untersuchungen eingeleitet habe“.

Unsere Einschätzung ist, dass die Behörden durch die Schaffung von mehr Unsicherheit und größeren Bewegungen im Wechselkurs, einige der stärker spekulativ agierenden Investoren abschrecken wollen.

Mit Blick auf die Zukunft wird die chinesische Währung aufgrund dieser spekulativen Bewegungen kurzfristig unter Druck geraten, insbesondere jetzt, wo eine Zinserhöhung in greifbarer Nähe liegt. Dies ändert jedoch nichts an dem grundlegenden Eindruck, dass China nach wie vor außergewöhnlich wettbewerbsfähig ist. Der kontinuierliche Überschuss mit den Handelspartnern bedeutet, dass die chinesische Währung, auch dann wenn die Unruhe sich gelegt hat, weiter im Wert steigen wird.

Sehr kurzfristig gesehen glauben wir jedoch, dass die Zentralbank eine erhebliche Schwächung der chinesischen Währung gegenüber dem Dollar nicht zulassen möchte.

Mit dem IWF an einem Tisch

Ende November soll die endgültige Entscheidung fallen, ob die chinesische Währung in den Währungskorb der globalen Weltreservewährungen des IWF aufgenommen wird. Dann wird der IWF zusammen mit den Chinesen auf der einen und den Amerikanern auf der anderen Seite an einem Tisch sitzen. Die kürzlich erlebten erheblichen Bewegungen in der chinesischen Währung erschweren den amerikanischen Unterhändlern die Argumentation für eine Unterbewertung.

Umgekehrt haben die Chinesen keinen Grund, die Situation für die Amerikaner schwieriger zu machen, als sie bereits ist. Wir bezweifeln daher, dass die Chinesen mit einer Währung in die Verhandlungen gehen wollen, die weitere 10 Prozent gegenüber dem US-Dollar gefallen ist.

Wir glauben deshalb, dass die chinesische Währung auf kürzere Sicht gegenüber dem Dollar weitgehend stabil bleiben wird. Auf längere Sicht erwarten wir, dass sie gegenüber den Währungen der Handelspartner des Landes generell an Wert gewinnen wird. Noch langfristiger gesehen muss sich zeigen, inwieweit die chinesischen Behörden bereit sind, die Marktkräfte entscheiden zu lassen.

Aber unsere wichtigste Botschaft lautet: Die Bedenken im Hinblick auf die chinesische Währung sind ein Sturm im Wasserglas und den Chinesen ist in keinster Weise die Vernunft abhanden gekommen. Aus unserer Sicht ist deren Wahl ebenso wohlüberlegt wie wohlbegründet – wenn wir uns auch, wie immer, mehr Klarheit und Offenheit von China wünschen würden!

Von Bo Bejstrup Christensen, Chefanalytiker bei Danske Invest

 

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