Richtet man den Blick nach vorne, so zeichnen sich jedoch bereits die nächsten dunklen Wolken am Horizont ab. Die guten Konjunkturzahlen in den USA dürften kaum spurlos am US-Kapitalmarkt vorbeigehen und im zweiten Halbjahr zu steigenden US-Renditen führen. Steht damit eine zweite Verkaufswelle bei Schwellenländerwährungen an? Nun war die US-Geldpolitik im letzten Jahr zwar der Auslöser des Ausverkaufs, jedoch nicht der hauptsächliche Grund. Vielmehr hat der Zinsanstieg in den USA tieferliegende Probleme in den Schwellenländern aufgedeckt. Entscheidend sind deshalb die Fundamentaldaten in den Schwellenländern: Haben sich diese in den letzten zwölf Monaten grundlegend verbessert?
Zwei Schwachstellen zogen Mitte des letzten Jahres die grösste Aufmerksamkeit auf sich: Die hohen Leistungsbilanzdefizite und der starke Preisauftrieb. Sieht man sich die Veränderung der Leistungsbilanz in den letzten zwölf Monaten an, so ist nur eine graduelle Verbesserung erkennbar. Auch auf der Inflationsseite sind die grossen Fortschritte bislang ausgeblieben, die Inflationsraten notieren noch immer deutlich über den Inflationszielen der Zentralbanken in den Schwellenländern. Das ist denn auch keine Überraschung. Erstens hat die Abwertung der Währungen der Inflation weiteren Auftrieb verliehen, zweitens ist die Inflationsbekämpfung eine langwierige Angelegenheit.
Die Schwellenländerwährungen dürften in der zweiten Jahreshälfte gegenüber dem US-Dollar schwächer tendieren. Die Gründe hierfür sind eine signifikante Erholung der Schwellenländerwährungen in den letzten Monaten, der wahrscheinliche Zinsanstieg in den USA und die nur graduelle Verbesserung der Fundamentaldaten. Ein Trostpflaster bleibt den Schwellenländern: Der US-Dollar dürfte sich nicht nur gegenüber Schwellenländerwährungen aufwerten, sondern auch gegenüber den meisten Währungen der industrialisierten Welt. Damit erhöht sich wenigstens für europäische Investoren die Attraktivität von Schwellenländerwährungen.
Von ALESSANDRO BEE, Ökonom, Bank J. Safra Sarasin AG