In den vergangenen vier Jahren haben Finanztechnologie-Unternehmen (Fintechs) weltweit über 90 Milliarden US-Dollar von Investoren eingesammelt; die Investitionen in diesem Bereich sind mit einer jährlichen Wachstumsrate von 41 Prozent gestiegen.
Die schnell wachsenden Unternehmen in dieser Branche haben viele etablierte Dienstleister verunsichert. Im Privatkundengeschäft legten Unternehmen wie Revolut, das inzwischen über vier Millionen Kunden hat, und N26, das nicht weit dahinter liegt, deutlich zu. Nimmt man die 38 Millionen Kunden von HSBC als Vergleich, dann hat Revolut in weniger als vier Jahren bereits ein Zehntel dieser Kundenbasis gewonnen. Traditionelle Handelsplattformen sind seit langem Opfer der Expansion von Robinhood, mit einer aktuellen Bewertung von über fünf Milliarden US-Dollar, und von eToro, das bald als „Einhorn“, also als Startup mit Milliarden-Bewertung gelten dürfte. Tatsächlich steht Robinhood Berichten zufolge in direktem Wettbewerb mit E-Trade Financial, der größten elektronischen Handelsplattform. Selbst bei den Überweisungen hat sich TransferWise seit 2010 zu einem Akteur entwickelt, der fast 50 Mrd. US-Dollar pro Jahr verarbeitet.
Zwei Disruptionsmodelle
Die Disruption in der Finanzwirtschaft folgt bislang zwei Modellen: Das erste Modell bietet eine digitale Version eines bestehenden Produkts, beispielsweise das Girokonto, das mit Hilfe von Technologien kostengünstiger und mit einem besseren Kundenerlebnis angeboten wird. Die wichtigste Dynamik in diesem Modell ergibt sich aus den niedrigen Akquisitionskosten, verbunden mit der Möglichkeit, die Neukundengewinnung zu skalieren und den Markt zügig zu durchdringen. Nach einer rapiden Expansion im Kerngeschäft verlagert sich der Fokus häufig auf eine Erweiterung des Produktangebots, um sowohl Umsatz als auch Marktanteile zu steigern. Dies ermöglicht eine Bündelung von Produkten, die die Kundenbindung stärken, die Wachstumsraten weiter beschleunigen und die Ertragsströme diversifizieren kann. Ein Beispiel dafür ist Revolut, das anfangs als währungsübergreifende Zahlungsanwendung fungierte und sich nach seiner Umwandlung zum vollständigen Bankdienstleister nunmehr an Krypto-Investment- und Brokerage-Konten heranwagt. Ein weiteres Beispiel ist Robinhood: Das Unternehmen wurde durch seine provisionsfreie elektronische Handelsplattform bekannt und erweitert seine Aktivitäten derzeit auf Bankkonten.
Das zweite Modell besteht darin, ein neuartiges oder anspruchsvolles Produkt in vertikalen Märkten mit höherer Wertschöpfung zu besseren Konditionen als die Mitbewerber anzubieten und Teile des Prozesses zu automatisieren. Zwar brauchen die Fintech-Unternehmen länger, um größere Marktanteile zu erlangen; die potenzielle Wertentwicklung ist jedoch immens. Die Vermögensverwaltung passt gut zu diesem Modell, wobei Start-ups tendenziell langsamer in den Markt eintreten. Zu den wenigen Ausnahmen gehören Nutmeg und Scalable Capital, die beide mehr als eine Milliarde US-Dollar an Vermögenswerten verwalten. Die „Platzhirsche“ mussten ihre bereits engen Margen bislang mit starken Gebührenermäßigungen verteidigen. Während sich die etablierten Unternehmen keine weiteren Preissenkungen leisten können, verbessern sich damit die Aussichten der digitalen Herausforderer.
Die Digitalisierung der Vermögensverwaltung
Die Vermögensverwaltung ist ein Bereich, der traditionell als archaisch und ineffizient gilt. Für Newcomer ist es nicht leicht, den kundenindividuellen Portfolioaufbau zu kopieren, und die starke Segmentierung des Marktes erfordert, dass Anbieter auf eine enge Kundenbeziehung und Kundenvertrauen setzen. Dadurch wird das volle Potenzial des Portfolio-Managements von Privatkunden bei weitem nicht ausgeschöpft. Eine wichtige Engstelle ist hier der Bereich Investor Relations, der oft verbesserungswürdig ist.
Weitere Teilbereiche der Vermögensverwaltung, beispielsweise das Management von Alternativen Assets, können einer Disruption unterliegen. Goldman Sachs geht davon aus, dass fast die Hälfte der 127 Schritte eines Börsengangs automatisiert werden können. Die Dynamik hinsichtlich des Zugangs zu alternativen Investments ist ähnlich.
Signifikante Verbesserungen gegenüber dem traditionellen Modell dank Digitalisierung
Der Zugang zu sogenannten Top-Tier-Private-Equity-Fonds ist seit jeher einer der Hauptgründe für die überdurchschnittliche Performance von institutionellen Anlegern. Angesichts des Potenzials dieser Assetklasse ist das nicht verwunderlich. Die Q4 2018 Indizes von Cambridge Associates zeigen, dass Private-Equity-Fonds im obersten Performance-Quartil während ihrer gesamten Lebensdauer im Durchschnitt das Kapital der Anleger verdoppelt.
Aktuell ist der Zugang zu Private-Equity-Fonds nicht leicht zu realisieren. Moderne Technologien haben aber dafür Lösungen. Die Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung bietet, spiegeln sich nicht nur in einer einfachen Zugänglichkeit zu Private-Equity-Fonds, sondern auch in niedrigeren Gebühren wider. Diese sind bis zu 50% niedriger als das, was die etablierten Dienstleister ihren vermögenden Privatkunden (High Net Worth Individuals – HNWI) aktuell für ihr Private-Equity-Angebot berechnen. Dank moderner Technologien und niedriger finanzieller Einstiegshürden befindet sich Private Equity auf einem guten Weg, demokratischer zu werden. Der Grund: Ein größerer Teil der Bevölkerung kann jetzt in Top-Tier-Private-Equity-Fonds investieren.
Auch die Möglichkeit für Private-Equity-Manager, auf einen neuen Kapitalpool zuzugreifen, ist bedeutend und sichert den Mehrwert auf beiden Seiten des Geschäftsmodells. Selbst wenn Private-Equity-Fonds direkt auf den wohlhabendsten Teil des HNWI-Marktes zugreifen können, gibt es ein großes Segment von weltweit über 40 Millionen HNWI mit einem Reinvermögen von jeweils mehr als einer Million US-Dollar, zu dem diese Fonds bisher keinen Zugang hatten. Digitalisierung ermöglicht es, dieses Segment besser zu erschließen und damit eine diversifizierte Anlegerbasis aufzubauen.
Alternative Assets gewinnen weiter an Bedeutung: Preqin zufolge werden die Assets under Management in diesem Bereich in den kommenden vier Jahren weltweit um 59 Prozent auf eine Gesamtsumme von 14 Trillionen US-Dollar steigen. Vor diesem Hintergrund ist es an der Zeit, dass Alternative Anlagen auch im Portfolio der Privatanleger ausreichend vertreten sind – dank Digitalisierung.
(Moonfare)