Die EU-Kommission verzichtet vorerst auf ein Provisionsverbot für Finanzprodukte. Offenbar auch wegen der Intervention der Verbände, Finanzbranche und Regierung. Mein Geld Medien führte ein exklusives Interview mit Dorothea Mohn, Vertreterin der Verbraucherzentrale im Team Finanzmarkt
Als Erstes möchte ich Sie ganz herzlich begrüßen, Frau Mohn. Warum plädieren Sie so nachhaltig für die Honorarberatung?
DOROTHEA MOHN: Das muss man eher umgekehrt sehen. Ich setze mich dafür ein, dass die Beratung auf Provisionsbasis ausgeschlossen wird. Die Honorarberatung hat keine Chance, sich gegen die Provisionsberatung durchzusetzen, weil diese den Verbrauchern als kostenfrei präsentiert wird. Das stimmt definitiv nicht, die Kosten werden nur nicht separat ausgewiesen. Außerdem verdienen Finanzvertriebe mehr Geld mit Provisionsberatung als mit Honorarberatung. Daher gibt es auch auf Seiten der Vermittler keinen Anreiz, auf das Vergütungsmodell der Honorarberatung umzusteigen.
Was spricht aus Verbrauchersicht denn konkret gegen die Provisionsberatung und für die Honorarberatung?
DOROTHEA MOHN: Die Provisionsberatung beinhaltet einen Interessenkonflikt. Die Produkte, die empfohlen werden, sind immer mit einer bestimmten Provisionshöhe verknüpft. Das bedeutet logischerweise, dass die Beratung nicht ergebnisoffen erfolgt und dass Produkte, die hohe Provisionen abwerfen, natürlich eher verkauft werden.
Mit eine Honorarberatung kaufen Verbraucher grundsätzlich eine Beratungsleistung ein. Das Ergebnis der Beratung ist hier grundsätzlich offen, da die Berater nicht davon abhängen, ein provisionsstarkes Produkt zu verkaufen. So kann zudem viel genauer auf die individuellen Bedürfnisse der Verbraucher eingegangen werden.
Es fällt den Menschen schwer, 180 Euro für eine Honorarberatung zu zahlen und dann doch kein Produkt einzukaufen. Dazu kommt, viele Leute können sich die 180 Euro für eine Honorarberatung gar nicht leisten, die können vielleicht 50 Euro im Monat sparen. Was sagen Sie denen?
DOROTHEA MOHN: In der Provisionsberatung zahlen Verbraucher die 180 Euro ja genauso, nur eben versteckt – und meist sogar weit mehr. Nur wird das in keinerlei Hinsicht offengelegt. Und mal ehrlich – wer keine 180 Euro für eine qualifizierte Beratung hat, muss gar nicht erst anfangen zu sparen.
Kommen wir zum Thema private Altersvorsorge. Bekannterweise ist die Altersvorsorge ja ein Verkaufsmarkt und kein Kaufmarkt. Müssen nicht die Finanzvertriebe aktiv auf die Menschen zugehen und ihnen das Problem Finanzierungslücke in der Altersvorsorge transparent machen oder meinen Sie, die Leute gehen das von allein an?
DOROTHEA MOHN: Natürlich stehen Verbraucher nicht morgens auf und nehmen sich vor, eine Altersvorsorge abzuschließen und dafür noch auf Konsum zu verzichten. Diese sozialpolitische Aufgabe darf aber nicht den Finanzvertrieben überlassen werden, da diese mit einem massiven Eigeninteresse unterwegs sind. Das Ganze ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Verbraucher müssen über ihre Arbeitgeber automatisch auf ein privates Vorsorgemodell gebracht werden. Das kann unserer Meinung nach ein öffentlich organisierter Altersvorsorgefonds sein, dessen Kapitalanlage durch ein Ausschreibungsmodell direkt am Kapitalmarkt stattfindet. Sparer führen dabei ihre eigenen Konten, so dass das Geld eigentumsrechtlich klar bei ihnen liegen würde. Das ist damit dann auch kein Staatsfonds.
Mit diesem Modell löst man viele Probleme auf einen Schlag: eine Abkehr vom Versicherungsmodell, eine Förderung der Aktienkultur und höhere Renditen. Zusätzlich ist von einer höheren Verbreitung der privaten Altersvorsorge auszugehen.
Den Interessenkonflikt gibt es aber in der Honorarberatung auch. Das Opt-In & Opt-Out-Verfahren gibt es ja in England bei der betrieblichen Altersvorsorge. Da reicht es allerdings auch nicht, es gibt immer noch eine Versorgungslücke bei den ärmeren Leuten. Warum ist es denn nicht möglich, ein Upload-System in Deutschland zu machen?
DOROTHEA MOHN: In Deutschland spielen viele Interessengruppen mit. Denken Sie an den Abschlussbericht der Fokusgruppe private Altersvorsorge unter Federführung des Finanzministeriums, der gerade veröffentlicht wurde. Hier wurde genau diese Frage eines öffentlichen Fonds diskutiert. Die Gruppe war allerdings nicht allein mit vom Finanzmarkt unabhängigen Akteuren und Wissenschaftlern besetzt. Mit am Tisch waren die Industrie, der BVI, der GDV, die Arbeitgeber, die Anbieter betrieblicher Altersvorsorge und die Gewerkschaften. Diese Akteure haben jeweils spezifische Eigeninteressen beim Thema Altersvorsorge. Zusätzlich stellt sich das Finanzministerium klar hinter die Finanzindustrie. Das Arbeitsministerium wiederum verteidigt die gesetzliche Rentenversicherung und will diese nicht durch einen parallelen Fonds schwächen. Das verhindert leider eine gut funktionierende private Altersvorsorge. So wurde in dieser Konstellation ein solcher Fonds erwartungsgemäß auch abgelehnt – obwohl sich die Wirtschaftsweisen wiederum für eine solche Fondslösung ausgesprochen haben.
Sie sagten, man sollte die Verantwortung für die Verbreitung privater Altersvorsorge nicht an den Finanzvertrieb geben. Aber glauben Sie denn nicht, dass ein gut ausgebildeter Vermittler oder Berater, der mehrere Produkte kennt, also keinen Interessenkonflikt hat, nur ein Produkt anzubieten, in der Lage ist, eine gute Altersvorsorgeberatung zu machen?
DOROTHEA MOHN: Eine gute Qualifikation ist eine notwendige Voraussetzung, um eine gute Beratung bieten zu können. Allerdings gibt es keine anerkannte Prüfung des Staates. Auch wenn es möglicherweise graduelle Unterschiede zwischen den Vertriebswegen gibt, bleibt doch der Gegensatz der Interessen von Verbraucher und Vermittler.
Vielen Dank für das Gespräch.