Schwaches Wachstum, niedrigere Inflation
Während sich in der entwickelten Welt eine allmähliche Erholung abzeichnet, verschlechtern sich die Konjunkturindikatoren in den Schwellenländern. Der Indikator, der die Wachstumsdynamik in den EM wiedergibt, ist seit nunmehr vier Monaten rückläufig (siehe Grafik unten). Die Türkei und Brasilien sind die beiden einzigen Schwellenländer, in denen das Wachstum in den vergangenen drei Monaten nicht zurückgegangen ist. Doch in diesen beiden Ländern hatte sich die Wachstumsentwicklung bereits im vorangegangenen Berichtszeitraum deutlich verlangsamt. Momentan liegt die BIP-Zuwachsrate sowohl in der Türkei als auch Brasilien über knapp einem Prozent. Für das gesamte EM-Universum erwarten wir 2013 ein BIP-Wachstum von 5,2 Prozent. Von den Krisenjahren 2008/09 abgesehen, ist das der tiefste Stand seit 2002.
Niedriges Wachstum und sinkende Rohstoffpreise dämpfen zudem in der gesamten aufstrebenden Welt die Geldentwertung. Das erklärt, warum mehrere EM-Zentralbanken in den letzten Monaten die Zinsen gesenkt haben. Hier sind vor allem Korea, Indien, Polen, die Türkei, die Philippinen und Mexiko zu nennen.
Doch auch in den meisten anderen Ländern gibt es Hinweise auf eine geldpolitische Lockerung. Die Grafik oben veranschaulicht dies: Die EM-Geldpolitik weist mittlerweile einen hohen Score von 1,5 auf (der Indikator bezieht Leitzinsänderungen, Zinsswaps, Langläuferrenditen und das Geldangebot in den 14 wichtigsten Schwellenländern ein).
Angst vor stärkerer Währung
Über eine gelockerte Geldpolitik soll die Wachstumsentwicklung angekurbelt werden. Doch einer wachsenden Zahl von EM-Zentralbanken geht es in erster Linie darum, eine Aufwertung ihrer Währung abzuwenden. Das zeigt sich vor allem am Beispiel Türkei. Die türkischen Währungshüter haben vergangene Woche erneut die Zinsen gesenkt – diesmal um überraschende 50 Bp. –, trotz eines Leistungsbilanzdefizits von über 6 Prozent, negativer Realzinsen und eines Kreditwachstums von mehr als 20 Prozent. Die Zentralbank zielt jetzt explizit auf eine Steuerung des realen effektiven Wechselkurses ab.
Durch Anhebung des Mindestreservesatzes für Banken will die Notenbank das Kreditwachstum feinsteuern. Angesichts der spekulativen Kapitalflüsse in Höhe von monatlich 5 bis 10 Mrd. US-Dollar in die Türkei (siehe folgende Grafik) steht jetzt vor allem der Wechselkurs der Lira im geldpolitischen Fokus. Man versucht, das Kreditwachstum über andere Mechanismen als den Zinssatz zu steuern. Auch die meisten anderen aufstrebenden Volkswirtschaften bemühen sich, das Problem exzessiver Kapitalzuflüsse in den Griff zu bekommen. Einige, wie Korea, Mexiko und die Philippinen, senken die Zinsen, während andere, wie Thailand, Kolumbien und Chile, Kapitalkontrollen erwägen. Wieder andere – hier seien Indonesien und Brasilien genannt – heben die Zinsen gar nicht oder nicht ausreichend an.
EM-Lokalwährungsanleihen nicht wegen Devisenkurs, sondern wegen Zinssatz attraktiv
Aufgrund der sinkenden Zinsen und weil in der aufstrebenden Welt noch Spielraum für eine weitere Lockerung besteht, bleiben Lokalwährungsanleihen eine attraktive Anlageform. Längerfristig sehen wir hier zwar „Luft“ für eine Aufwertung, doch kurz- und mittelfristig ist das Aufwärtspotenzial der EM-Währungen aus wirtschaftspolitischen Gründen sehr begrenzt. Die jüngste Schwäche hochrentierlicher EM-Währungen trotz des weltweit günstigen Liquiditätsumfelds erklärt sich durch die steigenden Renditen in der entwickelten Welt bei gleichzeitig sinkenden Zinsen in den EM.