Wirtschaft

„Etliche europäische Banken haben sich neu erfunden“

Ein Interview mit David Moss, BMO Global Asset Management. Bankaktien waren bei den Investoren lange Zeit nicht gut angesehen. Bis zum Ausbruch der Finanzkrise hatten viele Institute leichtfertig Kredite vergeben oder in undurchsichtige Papiere und waghalsige Finanzgeschäfte investiert. Viele Institute standen in der Krise vor dem Bankrott und wurden zum Teil vom Staat gerettet. Damit sich diese Situation nicht wiederholt, mussten vor allem die europäischen Banken auf Druck der Politiker und Bankenaufseher in den vergangenen Jahren ihre Eigenkapitalbasis stärken und die Bilanzen in Ordnung bringen. Das hat die Gewinne der Branche unter Druck gebracht. Zudem waren sich die Anleger lange Zeit unsicher, ob wirklich alle Risiken offengelegt und ausreichend abgedeckt worden sind.

Die Stimmung für Finanztitel ist jedoch dabei, sich zu wandeln. Zwar bleibt das regulative Umfeld eine Herausforderung für viele Häuser, doch die Strukturanpassungen machen Bankaktien nach Einschätzung von David Moss, Fondsmanager von BMO Global Asset Management, zu einem weit weniger riskanten Investment als noch vor einigen Jahren. Welche Chancen sie Anlegern bieten, erläutert Moss im Interview.

Herr Moss, welche Entwicklungen haben die europäische Bankenbranche in den vergangenen Jahren am stärksten geprägt?

David Moss: Getrieben von der Politik und den Regulatoren haben Banken die vergangenen sechs Jahre im Wesentlichen damit verbracht, ihre Bilanzen zu stärken und ihre Abhängigkeit von kurzfristigen Refinanzierungsinstrumenten zu verringern. Damit wollten sie sicherstellen, dass sie nie wieder staatliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Im Ergebnis hat dies zu sinkenden Gewinnen bei europäischen Banken geführt, weil sie sich aus Geschäften zurückgezogen haben, die mit mehr Eigenkapital unterlegt werden müssen, weil sie die Kreditvergabe eingeschränkt haben, sich stärker auf längerfristige und damit teurere Refinanzierungsinstrumente stützen und die Risikovorsorge für faule Kredite aus der Zeit vor der Finanzkrise erhöht haben.

Das klingt recht negativ. Zeichnen sich nach dieser langen Dürreperiode inzwischen auch wieder positive Tendenzen ab?

Moss: Durchaus. Die Eigenkapitalanforderungen steigen zwar im Zuge der Einführung von Basel III weiter, aber die Eigenkapitalquoten sind schon jetzt um ein Vielfaches höher als in der Zeit vor 2008. Wie eine Untersuchung der Europäischen Zentralbank gezeigt hat, verleihen die Banken in der Eurozone außerdem wieder Geld. Und – das ist wichtig – die Kunden sind auch wieder bereit, Kredite aufzunehmen. Zudem sinken die zusätzlichen Rückstellungen durch die Bank hinweg, weil die Wirtschaft in Europa allmählich wieder wächst und die Austeritätsprogramme zurückgefahren werden. Dennoch weht der Branche weiterhin auch Gegenwind ins Gesicht: Das Quantitative Easing der EZB und die niedrigen Zinsen beeinträchtigen die Margen der Banken, während gleichzeitig die Compliance-Kosten stetig steigen.

Was überwiegt derzeit aus Investorensicht – die Schwierigkeiten der Branche oder die Chancen?

Moss: Natürlich ist die striktere Regulierung für manche Häuser eine Herausforderung. Letztlich werden die Banken durch die Veränderungen, die ihnen auferlegt wurden, aber zu weniger riskanten Investments. Dies wurde von den Investoren positiv aufgenommen. Der europäische Bankensektor ist groß und heterogen. Egal ob global ausgerichtet oder regional orientiert – einige Banken waren erfolgreich in der Lage, sich als solide, gut kapitalisierte Institute neu zu erfinden und dadurch das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen.

An welche Häuser denken Sie dabei?

Moss: Unter den regionalen Banken zum Beispiel an Intesa Sanpaolo. Das Institut ist die nach Marktkapitalisierung größte Bank Italiens und verfügt über eine starke Eigenkapitalbasis. Das Institut profitiert von dem sich verbessernden makroökonomischen Umfeld in dem Land und einer von der Regierung vorangetriebenen Reform des Bankensektors. Zudem besteht die Aussicht auf eine weitere Konsolidierung im Finanzsektor. Unter den globalen Banken ist UBS ein spannender Titel. Obwohl das Schweizer Institut in der Finanzkrise ernsthafte Probleme hatte, ist es heute eine der eigenkapitalstärksten Banken in Europa. Die Bank hat auf die regulativen Anforderungen reagiert, die Risiken im Investmentbanking radikal reduziert und sich stärker auf die Bedürfnisse ihrer Kunden und profitable Geschäftsbereiche konzentriert. Die Private-Banking-Sparte profitiert dabei erheblich von der globalen Ausrichtung des Mutterhauses, wenn es darum geht, Vermögen für die Kunden zu schaffen.

Wie sehen denn nun vor diesem Hintergrund die Anlageperspektiven für europäische Bankaktien aus?

Moss: Alles in allem fällt der Ausblick positiv aus. Sowohl Umsätze als auch Erträge steigen im laufenden Jahr, und im Schnitt können Anleger mit Banktiteln einen Dividendenrendite von 4,4 Prozent erzielen. Die Chancen stehen trotz der nach wie vor vorhandenen Herausforderungen gut, dass der Aufwärtstrend in den kommenden Jahren anhält, zumal die Altlasten der Finanzkrise weitgehend abgebaut sind

(Bild: Rolf Handke, pixelio)

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