Der weitere Krisenverlauf lässt sich nur schwerlich voraussagen. Langfristig sind wir zwar optimistisch, doch der Weg aus der Krise ist lang und mühsam. Dabei gilt es, Irrwege wie „knappes Überleben“ und „teilweiser Zusammenbruch des Euro“ zu vermeiden. Insofern raten wir Investoren, nicht zu sehr auf das Krisenfinale zu fokussieren. Sinnvoller ist es, die Entwicklung im Auge zu behalten und sich flexibel auf neue Realitäten einzustellen.
Die Strategy and Tactical Asset Allocation Group (Mary Pieterse-Bloem, Willem Verhagen und Valentijn van Nieuwenhuijzen) sowie das Core Fixed Income Team (Sylvain de Ruijter und Thede Rüst) haben freundlicherweise Beiträge zu dieser Publikation beigesteuert.
Ausstieg Griechenlands immer wahrscheinlicher
Griechenland stimmt über EWU-Mitgliedschaft ab
Der mögliche Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone ist greifbar nahe. Die am 17. Juni anstehenden Neuwahlen werden aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Abstimmung über den Verbleib in der EWU. Die entscheidende Frage ist jedoch nicht, ob Griechenland die Währungsunion verlassen wird, sondern was ein möglicher Austritt der Hellenen mittel- und langfristig für die Euro-Zone bedeutet.
Für alle politischen Parteien in Griechenland steht das an das Rettungsprogramm gekoppelte Memorandum of Understanding (MoU) – in unterschiedlichem Maße – zur Disposition. Die traditionellen Parteien in der Mitte des Spektrums würden moderatere Sparmaßnahmen vorziehen, während die Parteien der Extreme auf das MoU verzichten wollen und bereit sind, den Zahlungsausfall des privaten und öffentlichen Sektors zu riskieren. Setzt sich diese Haltung durch, wäre ein „Grexit“ nahezu unvermeidbar.
Allerhand hängt von der Glaubwürdigkeit der politischen Akteure ab, die in Griechenland das Ruder übernehmen und in dieser Eigenschaft Verhandlungspartner der Troika sein werden. Ein Sieg der Pro-Euro-Parteien könnte bedeuten, dass die Hellenen in der EWU bleiben, falls die Troika bereit ist, sich auf einen moderateren Sparplan einzulassen, vielleicht sogar so etwas wie einen „Marshall-Plan“ für Griechenland. Insofern ist zu begrüßen, dass die europäischen Kernländer sich verstärkt um politisches Augenmaß bemühen. Immer mehr politische Entscheidungsträger (IWF, Europäische Kommission und sogar die EZB) betonen mittlerweile, dass ein Sparkurs allein nicht ausreicht, um die Krise zu bewältigen. Dazu muss ein Wachstumspakt her. Insofern ist die Wahl von François Hollande zum Präsidenten Frankreichs aus unserer Sicht durchaus positiv. Doch ob diese Neuorientierung noch rechtzeitig stattfindet und Griechenland motivieren kann, lässt sich nicht vorhersagen.
Auch EZB-Präsident Draghi hat auf die Notwendigkeit eines Wachstumspakts zur Ergänzung des Fiskalpakts hingewiesen. Doch was unter Wachstum genau zu verstehen ist, darüber sind sich die Politiker durchaus nicht einig. Während Draghi vom Bedarf an Strukturreformen spricht, denkt Hollande wohl eher an Maßnahmen, um die Gesamtnachfrage in der Region anzukurbeln. Zu diesem Zweck schlägt er vor, dass die EIB und EU-Strukturfonds zur Förderung der Investitionsausgaben eingesetzt werden. Zudem wünscht er sich eine aktivere Rolle für die EZB, die seiner Meinung nach neben Preisstabilität auch Wachstum verfolgen sollte. Inwieweit das möglich ist, bleibt abzuwarten, da Kanzlerin Merkel einen solchen Schritt ablehnt. Aber selbst in Deutschland rumort es: Vor allem die SPD fordert inzwischen ebenfalls einen Investitionspakt als flankierende Maßnahme zum Fiskalpakt.