„Die Weltwirtschaftstrends wie ein niedriger Ölpreis und der starke Dollar lassen die einzelnen Märkte in unterschiedliche Richtungen laufen“, sagt Dr. Alexander Börsch, Leiter Research Deutschland bei Deloitte. „In den Industrieländern stimuliert der niedrige Ölpreis die Nachfrage und in der Euro-Zone profitieren die Exporteure von dem niedrigen Euro-Kurs. Brasilien und Russland entwickeln sich hingegen zunehmend zu wirtschaftlichen Sorgenkindern.“
Euro-Zone: Griechenland bremst konsumentengetriebenen Aufschwung
Vor allem dank hoher Binnennachfrage entwickelte sich die Euro-Zone im laufenden Jahr besser als erwartet. Durch den niedrigen Ölpreis und leicht zurückgehende Arbeitslosigkeit hat die Konsumentenstimmung den höchsten Wert seit 2007 erreicht. Besonders optimistisch sind die Konsumenten in Deutschland und den früheren Krisenländern Spanien und Irland. Die Unsicherheit durch die Lage Griechenlands und den möglichen „Grexit“ bedroht jedoch die Stabilität der Währungsunion – ein Austritt könnte die Euro-Zone in eine Rezession zurückwerfen.
USA: Inlandsnachfrage bestimmt Tempo
Die positive Entwicklung des Arbeitsmarktes deutet hier auf eine neue Stärke der US-Wirtschaft hin. Hohe Verbrauchernachfrage und Investitionen unterstreichen dies, während die internationale Handelsperformance Fragen aufwirft. Der hohe Kurs des US-Dollars und das langsame Wachstum wichtiger Exportmärkte haben zu einer niedrigen Auslandsnachfrage geführt. Verbraucher und Industrie profitieren jedoch vom niedrigen Ölpreis – die Exportschwäche wird so ausgeglichen. Die Zeichen stehen auf Wachstum.
China: Aggressivere Reformen zur Stabilisierung
Die chinesische Regierung versucht, dem schwindenden Wirtschaftswachstum neuen Schwung einzuhauchen, und setzt auf geldpolitische Reformen. Dennoch erwarten die offiziellen Stellen eine weitere Verlangsamung des Wachstums, sodass Handlungsbedarf besteht – umfangreiche Infrastrukturinvestitionen sollen folgen. Eines der wichtigsten Ziele der Reformen ist, China zu einem führenden Industriestandort für hochwertige Technologie zu entwickeln.
Japan: Der Rezession entkommen
Japan hat sich aus der Rezession herausmanövriert: Die aggressive Geldpolitik hat die negativen Folgen der Steuererhöhung von 2014 abgewendet und zu einem leichten Aufwärtstrend geführt. Der schwache Kurs des Yen fördert die Exportaktivitäten, niedrige Arbeitslosigkeit und Lohnsteigerungen kündigen höhere Privatausgaben an, die sich momentan allerdings noch schleppend entwickeln. Das geplante Handelsabkommen TPP mit den USA macht die Liberalisierung inländischer Märkte nötig und soll neues Wachstum generieren – hierzu werden grundlegende Reformen erwartet.
Russland: Wirtschaft im Rückwärtsgang
Der niedrige Ölpreis und die Sanktionen haben Russland in eine schwierige Situation gebracht: Inflation, schwache Wirtschaft und hohe Auslandsschulden sind nur einige Probleme, deren Ende nicht in Sicht ist. Das Staatsdefizit wächst erheblich, was vor allem an niedrigeren Steuereinnahmen aus dem Energiesektor liegt, der unter dem Ölpreisverfall leidet. Belasten Sanktionen und Ölpreis die russische Wirtschaft weiter, werden auch die beabsichtigten engeren Wirtschaftsbeziehungen mit China die Rezession nicht verhindern können.
Brasilien: Regierung in der Krise
Hohe Inflation, schwache Nachfrage und strenge Geldpolitik machen einen neuen Abschwung wahrscheinlich. Der Bestechungsskandal um das halbstaatliche Unternehmen Petrobras belastet das Vertrauen in die Regierung und könnte wichtige Reformen zur Sicherung des Staatshaushalts verhindern.
„Der Global Economic Outlook für das zweite Quartal 2015 zeigt große Probleme in einigen Emerging Markets und Aufschwungstendenzen in den Industrieländern. Die niedrigeren Ölpreise wirken wie ein Konjunkturprogramm und stärken die Nachfrage. Ein stabiler Aufschwung benötigt allerdings ein Anspringen der Investitionen, die bisher nur in den USA nennenswert steigen, nicht in der Euro-Zone.“