Bei der Reflation geht es darum, die Realverzinsung über eine höhere erwartete Inflation zu senken und so eine aus-reichende reale Abwertung des Yen zu erreichen. Sofern „Abenomics“ Erfolg beschieden ist, wird die sinkende Real-verzinsung zu einem Rückgang der Ersparnisse bei gleich-zeitig steigender Investitionstätigkeit führen und so für neuen Schwung bei der Binnennachfrage sorgen. Im Ergebnis dürfte die hohe Sparquote Japans und damit auch sein Leistungsbilanzüberschuss sinken. Langfristig könnte sich sogar ein dauerhaftes Leistungsbilanzdefizit in Japan herausbilden, wenn die alternde Bevölkerung allmählich die stetig aufgebaute Vermögensbasis aufzehrt. Bereits seit Anfang 2011 bewegt sich die japanische Handelsbilanz unter null, wenn auch die kräftigen Nettozuflüsse aus dem im Ausland gehaltenen Vermögen die Leistungsbilanz insgesamt im positiven Bereich halten.
Die weitere Performance japanischer Risikowerte hängt somit davon ab, ob die Reflation gelingt. Unser Basisszenario geht zwar immer noch davon aus, dass die deflationäre Psychologie sich schließlich geschlagen geben muss, aber das bedeutet nicht, dass es ab jetzt nur noch steil nach oben geht. Im kommenden Jahr könnten wegen der damit verbundenen Ungewissheit sowohl die Mehrwertsteuererhöhung als auch die dritte Säule von Abenomics zu höherer Volatilität führen. Was die Steuererhöhung betrifft, ist Japan die klare Ausnahme im DM-Universum, denn seine Fiskalpolitik wandelt sich von nahezu neutral in 2013 zu einem Nettorückgang von knapp über 2 Prozentpunkten im kommenden Jahr. Das Ausmaß dieses Fiskalschocks entspricht in etwa dem, den wir dieses Jahr in den USA erlebt haben. Die Tatsache, dass die US-Wirtschaft gut damit fertiggeworden ist, macht indes Hoffnung.
Allerdings gibt es wichtige Unterschiede. Einerseits wird das Wachstum in Japan wahrscheinlich weit höher über dem Potenzial liegen, als dies in den USA der Fall war. Das spricht für eine stabile Wirtschaft, die Schocks verkraften kann. Andererseits herrscht weiterhin Deflation in Japan; die japanischen Verbraucher könnten daher weniger belastbar sein als die Konsumenten in den USA. Insgesamt dürfte sich die japanische Konjunktur wohl vorübergehend verlangsamen. Letztlich wird der Konsum sich indes erholen, wenn es mit dem nominalen Lohnwachstum wieder aufwärtsgeht. Mit wachsender Zuversicht werden auch die Haushalte eher gewillt sein, unerwartete Einkommensschocks über ihre Ersparnisse zu absorbieren.
Die Umsetzung von Strukturreformen ist dagegen eine wesentlich schwierigere Herausforderung. Klar ist, dass die Besitzstände einzelner Interessengruppen den Plänen Abes erheblichen Widerstand entgegensetzen. Obwohl Abes Partei in beiden Kammern des Parlaments die Mehrheit hat, wäre ein zu offensives Vorgehen gegenüber diesen mächtigen Lobbygruppen für sein politisches Überleben gefährlich. Wir erwarten daher, dass die Regierung Abe einen weniger geradlinigen Weg verfolgen und die Gesetzesänderungen erst nach und nach in Angriff nehmen wird. Dennoch werden bereits Fortschritte erzielt. Erst kürzlich gab man bekannt, dass Japan die Zuschüsse für Reisbauern bis 2019 abbauen will. Das dürfte den Weg in die Transpazifische Partnerschaft, einer Freihandelszone, der auch die USA angehören, ebnen.



