Mit seiner inspirierenden Rede in Jackson Hole stellte Draghi tatsächlich einen weitaus grundsätzlicheren Wandel in der europäischen Geldpolitik in Aussicht. So betonte er nicht nur, dass die sinkenden Inflationserwartungen eine weitere Lockerung rechtfertigen, sondern drängte auch auf ein umfassenderes Reformpaket, das geldpolitische Impulse mit einer kurzfristigen Stärkung der Nachfrage – sowohl fiskal als auch monetär – sowie der Steigerung des langfristigen Wachstumspotenzials verknüpft.
Indem Draghi mit Nachdruck darauf hinwies, dass die Gefahr, nicht genug zu tun, das Risiko, zu viel zu tun, bei Weitem überwiege, entspricht seine Botschaft im Wesentlichen der von Abe in Japan. Ob Draghinomics indes die gleiche Wirkung auf europäische Vermögenspreise haben wird wie Abenomics auf die Preisentwicklung in Japan, bleibt abzuwarten. Draghis progressive Ansichten sind jedenfalls ein vernünftiger Anfang und zeigen bereits die gewünschte Wirkung am Markt: Während Anleiherenditen und Euro in den vergangenen Wochen fielen, legten die Aktienkurse zu.
Man muss allerdings auch sehen, dass die Marktbewegungen in Japan nach dem Start von Abenomics weitaus deutlicher ausfielen. So hat der Euro auf handelsgewichteter Basis im Verhältnis zu seinem Jahreshöchststand bisher nur um vier Prozent nachgelassen. Der Yen verlor 2013 hingegen rund 25 Prozent. Es ist noch zu früh, um den Effekt von Draghinomics einzuschätzen. Immerhin dauerte es vier bis fünf Monate, bis sich bei den Anleihe-, Aktien- und Devisenkursen in Japan die volle Wirkung zeigte. Hinzu kommt, dass es erheblichen politischen Widerstand gegen Draghis Ideen gibt. Eine Wiederholung der japanischen Erfahrungen in Europa erscheint daher momentan weit hergeholt. Doch weitere Schritte in Richtung vorsichtiger Reflation sind nicht auszuschließen.
Valentijn van Nieuwenhuijzen, Chefstratege bei ING IM




