Zwischen Hoffen und Bangen
Die Zeit vergeht, die Probleme bleiben. Vieles erinnert heute sehr an das letzte Jahr. Der Economic Surprise Index ging wie schon letztes Jahr zurück, und die europäische Staatsschuldenkrise verschärfte sich. Vieles ist aus Sicht von Dexia Asset Management aber auch gänzlich anders. Europa steht heute schlechter da, aber die Weltwirtschaft ist stärker. Die Kurse gehen zwar zurück, aber doch recht geordnet; bislang gibt es keine Panik. Dennoch sind die Risikoprämien der riskantesten Wertpapiere deutlich gestiegen. Es handelt sich aber nicht um ein systemisches Problem, denn der Markt differenziert weiter stark zwischen risikoreicheren und weniger risikoreichen Titeln. Auch wenn es paradox erscheint: Laut Dexia Asset Management gibt es keine Hinweise darauf, dass der Markt überverkauft ist – zumindest gemessen an der Risikobereitschaft und der Volatilität.
Mit jeder neuen Krise wird die Lage in Europa aber dramatischer. Im Frühjahr befand sich Griechenland im freien Fall. Noch vor zwei Jahren schien ein Austritt Griechenlands undenkbar. Jetzt ist er plötzlich vorstellbar, wenn auch vorläufig nicht besonders wahrscheinlich. Spanien leidet unter einer Bankenkrise, die ohne externe Hilfe nicht zu lösen ist. Die drastischen Sparprogramme werden für politische Krisen, Bankenkrisen und Rezessionen verantwortlich gemacht.
Dazu meint die Anlagestrategin Nadège Dufossé: „Der Pessimismus der Anleger könnte sich am Ende als Segen erweisen, denn er ist ein Kontraindikator. Ende Mai 2012 waren die Investoren kaum noch in Aktien investiert, insbesondere in europäische. Die Probleme an den Märkten könnten sogar günstig sein, wenn dadurch schnell zielführende Lösungen gefunden werden.“
Wie lange werden die Investoren noch Geduld haben?
Die jüngste Stabilisierung der Finanzmärkte und die anschließenden Kursgewinne waren einigen beruhigenden Nachrichten zu verdanken, hatten aber auch viel mit Hoffnung zu tun. Die Investoren setzten letztlich auf eine Lockerung der Geldpolitik in China, den USA, Großbritannien und dem Euroraum. So lange sich die Fundamentaldaten nicht verbessern, bleibt der Markt aber vor allem liquiditätsgetrieben; Liquidität gehört zu den wichtigsten Kurstreibern. Dennoch ist das weltwirtschaftliche Umfeld deutlich besser als im letzten Jahr: Der Rückgang der Inflation in China lässt das Land über eine weitere Lockerung der Geld- und Fiskalpolitik nachdenken. Die amerikanische Notenbank Fed könnte im September entschlossener intervenieren, wenn die drohende Straffung der Fiskalpolitik und das noch immer schwache Beschäftigungswachstum die Wachstumsaussichten zu sehr dämpfen. Der Euroraum würde hingegen neue Maßnahmen der EZB benötigen. Seit Dezember 2011 hat die EZB aber bereits gezeigt dass sie durchaus zu pragmatischerem Handeln in der Lage ist und so das Vertrauen der Investoren gestärkt. Die geldpolitischen Maßnahmen kommen für die Märkte in der Regel nicht unerwartet, so dass ihr Anteil am aktuellen Kursanstieg nur schwer zu quantifizieren ist.