An den Börsen hat der Staat wohl eine Ausnahme dieser Politik gemacht…
Winzer: In der Tat. Zunächst ist zu sagen, dass die starken Kursanstiege der Vergangenheit mit fundamentalen Faktoren wie der Gewinnentwicklung nicht erklärt werden konnten. Als die chinesischen Aktienmärkte dann eingebrochen sind, ist der Staat mit umfangreichen Interventionen eingesprungen. Ähnliche Beispiele aus der Vergangenheit deuten darauf hin, dass unter Umständen weitere Einbrüche vermieden werden können, aber eine staatliche Intervention keine neuen nachhaltigen Anstiege herbeiführen kann. Holprig wird wohl auch die vierte Dimension, die Internationalisierung des Renminbi, verlaufen. Bis die chinesische Währung frei konvertierbar ist und tatsächlich eine Wertaufbewahrungsfunktion für ausländisches Kapital erfüllen kann, wird wohl noch einige Zeit vergehen. In der Zwischenzeit befinden sich die Schwellenländer in einem Anpassungsprozess, der weiterhin auf die Währungen drücken könnte.
Wie ist die Lage weltweit?
Winzer: Das weltweite Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes ist nach dem sehr schwachen ersten Quartal im abgelaufenen Quartal wahrscheinlich nur leicht angestiegen. Die wirtschaftliche Aktivität ist damit auf globaler Basis enttäuschend schwach geblieben.
Sorgt die USA für etwas Hoffnung?
Winzer: Immerhin konnte sich die Wirtschaft in den USA von der De-Facto-Stagnation im ersten Quartal erholen. Die erste Schätzung für das Bruttoinlandsprodukt ergab für das zweite Quartal ein auf das Jahr hochgerechnetes Wachstum von 2,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Die Kerninflationsrate hat sich im Quartalsabstand auf 1,8 Prozent beschleunigt. Wenn die Wirtschaftsberichte in den kommenden Wochen auf eine Fortsetzung der Erholung hinweisen, wird die US-amerikanische Zentralbank den Leitzinssatz noch in diesem Jahr leicht anheben.
Wie sieht es für Europa aus?
Winzer: Auch in der Eurozone gibt es positive Konjunkturnachrichten. So ist der Geschäftsklimaindex im Juli angestiegen und die Banken haben die Kreditvergaberichtlinien im 2. Quartal abermals gelockert. Die Krise mit Griechenland hat offenbar nicht zu einer Eintrübung der Stimmung geführt. Die Indikatoren deuten eine Fortsetzung der moderaten Erholung.
Das trifft wohl nicht für die Schwellenländer zu?
Winzer: Für den „Rest“ der Welt zeichnet sich eine weitere Eintrübung der Konjunktur ab. Insbesondere in den Schwellenländern haben viele Konjunkturindikatoren nachgegeben. Auffällig ist, dass sich mit Brasilien und Russland zwei große rohstoffexportierende Länder in einer Rezession befinden.
Wie schätzen Sie Industrieproduktion und Rohstoffpreise ein?
Winzer: Generell ist der produzierende Sektor weltweit schwach. Die Industrieproduktion schrumpft auf globaler Basis. Auch die realen Exporte und Importe für Güter fallen in den meisten Regionen. Die Exportpreise sind im Jahresabstand kräftig rückläufig. Diese Entwicklungen können insbesondere in den asiatischen Schwellenländern beobachtet werden. Des Weiteren zeigen viele Rohstoffpreise insbesondere für Öl, Stahl und Kupfer, aber auch für die Edelmetalle Silber und Gold nach Süden.